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am Erzbischöflichen Abendgymnasium:Abi auf Umwegen

Leonora Günther ist 61 Jahre alt – und angehende Abiturientin. Am Erzbischöflichen Abendgymnasium Bamberg nimmt sie die Möglichkeit wahr, die Hochschulreife nachzuholen. Wir haben nachgefragt, wie und warum.
Datum:
Veröffentlicht: 1.6.19
Von:
Dominik Schreiner

Im Deutschunterricht der Jahrgangsstufe II geht es heute um Literatur aus dem 19. Jahrhundert: Die Vormärz- Epoche, politische Gedichte. Leonora Günther sitzt in der ersten Reihe. Wenn der Lehrer Fragen in die Runde stellt, schnellt ihre Hand meist vor allen anderen nach oben. Das liegt zum einen daran, dass Deutsch ihr Lieblingsfach ist. Zum anderen, dass sie den wahren Wert von Bildung kennt. Denn ihr ganzes Leben lang hat die 61-Jährige zu spüren bekommen, dass gewisse Türen ohne Abiturzeugnis verschlossen bleiben. Das will sie nun ändern. Am Erzbischöflichen Abendgymnasium Bamberg bekommt sie die Chance dazu.

Zusammen mit 40 anderen Abiturientinnen und Abiturienten sitzt Günther fünf Abende pro Woche in den Klassenräumen am Karmelitenplatz in Bamberg, für jeweils vier oder fünf Schulstunden. Auf diesem Weg kann man berufsbegleitend die Oberstufe durchlaufen und anschließend die Abiturprüfung ablegen – in der Regel innerhalb von vier Jahren. Dass ihre Mitschüler durchschnittlich Mitte 20 und damit deutlich jünger sind als sie, stört Günther überhaupt nicht: „Das Alter spielt da keine Rolle. Man kann immer voneinander lernen.“

Abendgymnasium

„Das Alter spielt keine Rolle. Man kann immer voneinander lernen.“

-Leonora Günther, 61

Leonora Günther

Für die meisten, die hier von- und miteinander lernen, stehen Aufstiegschancen im Beruf und die Möglichkeit, die Universität zu besuchen, im Vordergrund. Manch einer will es sich aber auch einfach nur selbst beweisen. Für Leonora Günther scheint es eine Mischung aus beidem zu sein. Sie würde später gerne studieren. Germanistik oder Philosophie vielleicht.

Dass die gebürtige Stuttgarterin nicht auf den Kopf gefallen ist, merkt man nicht nur an ihrem verschmitzten Lächeln. Drei Berufsausbildungen – zur Industriekauffrau, zur Sekretärin und zur Wirtschaftsinformatikerin – hat sie im Laufe ihres Lebens absolviert und nebenher Chinesisch und Arabisch gelernt. Mit dem Abitur hat es auf dem klassischen Weg trotzdem nicht geklappt. Beim Übergang von der Grund- in die weiterführende Schule hatte die Schulärztin den Eltern abgeraten, Günther ins Gymnasium zu stecken, weil sie „zu klein und zu schwächlich“ sei. Später kamen die Pubertät und der Trotz dazu. Eine riesige verpasste Chance. Das ist ihr heute klar. Viel zu oft hat ihr das fehlende Abitur eine vorzeitige Endstation auf der Karriereleiter beschert. Umso bedeutender ist für sie die Möglichkeit, die das Abendgymnasium verkörpert: „Hier bekommen Menschen, die in ganz jungen Jahren noch nicht den Ernst der Lage verstanden haben oder dem seelischen Druck nicht gewachsen waren, die Möglichkeit, ihr Potenzial doch noch voll auszuschöpfen.“

Stephan Reheuser

Unsere Lehrer schätzen die Gewissheit, etwas Sinnvolles zu tun.“

-Stephan Reheuser, Schulleiter

Mit diesem hehren Ziel – da ist sich Schulleiter Stephan Reheuser sicher – lässt sich auch der Antrieb der Lehrkräfte erklären, die am Abendgymnasium, teilweise nebenamtlich, teilweise nach ihrer Pensionierung, arbeiten. „Am vielen Geld kann es ja nicht liegen“, scherzt er. Dahinter stecke vielmehr die Gewissheit, etwas Sinnvolles zu tun, und der Wille den Schülerinnen und Schülern auf ihrem schwierigen Weg „Wertschätzung und Wohlwollen entgegenzubringen“. Oder kurz gesagt: Nächstenliebe.

Das spürt man auch im Deutschunterricht an diesem Abend. Lehrer Baptist Deinlein hat sich keine Tagesordnungspunkte aufgeschrieben, die er blind abhakt. Es geht ihm darum, dass die Klasse wirklich versteht. Ein Dialog soll entstehen. Ist das Unterricht auf Augenhöhe? Man könnte es meinen – und doch ist der Lehrer der, der den Wissensvorsprung hat. Aber genau hier liegt vielleicht der größte Unterschied zwischen dem Abendgymnasium und einer herkömmlichen Oberschule: Jemand wie Leonora Günther – jemand, der mehr als froh ist, auf der Schulbank sitzen zu dürfen – der akzeptiert diese Rollenverteilung: „Der Lehrer weiß etwas. Ich weiß es nicht. Er bringt es mir bei“, bilanziert sie und bringt damit auf den Punkt, was das Erzbischöfliche Abendgymnasium Bamberg zu einer fruchtbaren Institution macht: Hier ziehen alle an einem Strang.

Herzlich Willkommen

Abitur auf dem zweiten Bildungsweg

Wenn Sie sich für das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg beim Erzbischöflichen Abendgymnasium Bamberg interessieren, können Sie sich unverbindlich unter www.abendgymnasium-bamberg.de oder per Telefon (0951 57624) informieren. Die Aufnahme für das nächste Schuljahr ist noch bis September 2019 möglich!