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Immer im Einsatz:Anruf gegen die Einsamkeit

Seit 40 Jahren ist die Bamberger Telefonseelsorge für Menschen mit Sorgen und seelischen Nöten erreichbar.
Datum:
Veröffentlicht: 1.12.19
Von:
Hendrik Steffens
Telefonseelsorge

Nach der Schockdiagnose. Nach dem Tod des geliebten Menschen. Nach dem Beziehungsende: In schweren Zeiten kann „zu reden“ Therapie sein. Doch Gesprächspartner zu haben, ist ein Luxus. Um den für alle Menschen verfügbar zu machen, gibt es die Telefonseelsorge als Beratungs- und Seelsorgeangebot der katholischen und evangelischen Kirche.

In einem Altbauobergeschoss an einer belebten Bamberger Straße sitzen die Ansprechpartner der Ratsuchenden. Ein stationäres Tastentelefon, ein Mobilgerät und ein Headset liegen griffbereit auf dem Schreibtisch eines kleinen Büros. In Bücherregalen steht Ratgeberliteratur zur Unterstützung von Menschen mit mentalen Krisen. Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin, die seit drei Jahren Telefonseelsorgerin ist, beschreibt ihre Rolle. „Ich bin keine Psychologin und keine Beraterin. Ich bin jemand, der Menschen dort abholt, wo sie stehen, und ihnen im Gespräch Raum gibt“, sagt sie. Zu reden könne helfen, Emotionen einzuordnen. „Viele wissen zu Beginn des Gesprächs nicht, ob sie Trauer empfinden, Wut oder Verzweiflung. Wenn sie es während des Telefonats erkennen, können sie anschließend darauf reagieren“, sagt sie. Die Gesprächsführung setze Empathie voraus. Interesse an den Menschen sei die Grundvoraussetzung für ihre Arbeit, meint die 59-Jährige.

„Unsere westliche Gesellschaft entwickelt sich weg von kollektiver Zugehörigkeit und hin zu immer mehr Individualisierung“, sagt Susanne Röhner, seit 15 Jahren Leiterin der Bamberger Telefonseelsorge. Vereine, Parteien und nicht zuletzt die Kirchen spürten diese Entwicklung, die in den persönlichen Alltag hineinreicht. „Immer mehr Menschen kreisen um sich selbst. Ein Resultat aus dieser Entwicklung ist Einsamkeit“, sagt die ausgebildete Pastoralreferentin.

Seit 1979 ist die Bamberger Telefonseelsorge erreichbar. Schon 26 Jahre zuvor, 1953, hatte ein Pfarrer in London die Idee, einen Kontakt einzurichten für Menschen, die des Lebens müde geworden waren. „Bevor Sie sich das Leben nehmen, rufen Sie mich an!“ – mit diesem Zeitungsinserat soll die Geschichte der Telefonseelsorge begonnen haben. Im Herbst 1956 gründete ein Berliner Arzt und Pfarrer den ersten telefonischen „Beratungsdienst für Lebensmüde“ in Deutschland. Heute sind alle Ortsnetze mit einer der 105 deutschen Telefonseelsorgestellen verbunden. Die Bamberger Leitung ist mit fast 7.700 Anrufen allein im vergangenen Jahr 2018 ausgelastet. Im Schichtdienst wechseln sich die Zuhörenden ab.

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Ökumenisch aktiv!

Bei der Ökumenischen Telefonseelsorge Bamberg sind 2018 insgesamt 7.695 Anrufe eingegangen, 69 Prozent davon waren von Frauen. Der Einzugsbereich sind die Landkreise Bamberg, Lichtenfels, Haßberge, Coburg und Kronach. Etwa 80 Ehrenamtliche waren 2018 tätig, zum Jahresende beendeten elf weitere ihren Ausbildungskurs. Die Kurse finden jährlich statt, Infos unter Tel. 0951-28210 oder www.telefonseelsorge-bamberg.de

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„Man kann leider nicht sagen, dass wir aktuell weniger gebraucht werden als zu meiner Anfangszeit. Eher im Gegenteil“, sagt Susanne Röhner. Die Entwicklung der Telefonseelsorge sei eine Erfolgsgeschichte. Die Institution genieße ein tiefes Vertrauen, das die überwiegend ehrenamtlich arbeitenden Frauen und Männer mit den Jahren aufgebaut haben. Diskretion sei garantiert. Und vielfältige Schulungen sowie regelmäßige Supervision – gemeinsame Gespräche über die Erlebnisse im Dienst – sicherten die Qualität in der Seelsorge, so Röhner. Die Finanzierung des gesamten Angebots in Bamberg leisten das Erzbistum und das Evangelische Dekanat Bamberg. „Trotzdem spielen religiöse Überzeugungen bei unserer Arbeit nur dahingehend eine Rolle, als sie alle zum Dienst für den Nächsten aufrufen. Glaubensrichtung und Konfession sind nicht entscheidend“, stellt Susanne Röhner klar.

Während in der Gründungszeit die Suizidprävention, das Verhindern von Selbstmorden, der Kern der Telefonseelsorge war, ist ihr Umfang heute deutlich breiter. Wenige Prozentpunkte beträgt der Anteil derer, die ihres Lebens müde geworden sind. Weit häufiger seien Trennungsschmerz, Abschied durch einen Todesfall, Drogensucht oder psychische Probleme der Anlass für Gespräche. All das in Verbindung mit sozialer Isolation. „Diese Gespräche zu führen hat meine Art zu kommunizieren verändert. Man lernt, sich zurückzunehmen und wirklich zuzuhören. Denn aus dem Kontext der eigenen Lebenswelt heraus zu urteilen, würde nicht funktionieren“, sagt die ehrenamtliche Mitarbeiterin aus Coburg. Die Arbeit habe auch ihren Blick auf das eigene Leben verändert.

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Gesprächspartner zu haben, ist ein Luxus."

-Susanne Röhner, Leiterin der Bamberger Telefonseelsorge

Nicht selten leben die Anrufenden nicht nur sozial isoliert, sondern auch materiell mit einem Minimum. „Dann können Sie nicht raten: ,Fahren Sie doch mal in den Urlaub oder gehen Sie ins Kino‘“, sagt die 59-Jährige. Die Arbeit schärfe den Blick für die eigene privilegierte Situation und das nicht selbstverständliche Glück im Leben. „Ich kann nicht mehr ausblenden, wie es für die ist, die es schlechter haben“, sagt sie. Gespräche über existenzielle Themen wie Drogensucht, Tod oder Perspektivlosigkeit seien nie leicht zu führen. Wer von ihrem Ehrenamt wisse, frage oft: „Ist das für dich nicht sehr belastend?“. Doch das Gegenteil sei der Fall. „Es ist ein Geschenk, beim Abschluss eines Gesprächs zu spüren, dass die Hoffnungslosigkeit des Menschen am anderen Ende der Leitung ein bisschen nachgelassen hat.“ Es mache zufriedener, sagt sie und wirbt für den Einsatz in diesem besonderen Ehrenamt.

Anlässlich des 40-jährigen Bestehens würdigt auch Bambergs Erzbischof Ludwig Schick die Telefonseelsorge Bamberg aus der Sicht eines erfahrenen Seelsorgers: „Viele Menschen, die alleinstehen oder keine Gesprächspartner haben, brauchen das offene Ohr am Telefon in ihren Nöten und Sorgen, aber auch in ihren Freuden und Hoffnungen“, sagt Schick. Deshalb ermuntert er zur Unterstützung für den Dienst des Zuhörens, ob als freiwillige Helfer oder Spender. Im Dienst gegen die Einsamkeit und gesellschaftliche Exklusion.

Kontakt

Telefonisch sind die Ansprechpartnerinnen und -partner rund um die Uhr gebührenfrei unter 0800-111 0 111 oder 0800-111 0 222 erreichbar, seit 2012 auch per Mail und Chat unter www.telefonseelsorge.de

Spendenkonto

Ligabank Telefonseelsorge Bamberg
BIC: GENODEF1M05
IBAN: DE33 7509 0300 5509 0465 26