Partnerbistum Thiès:Corona trifft den Senegal hart
Des einen Freud ist des anderen Leid: „Für die Bauern auf dem Land ist der Regen gut, für die Städter schlecht“, fasst Kathrin Heil in einem Telefongespräch die Regenzeit von Juli bis Oktober in Bambergs senegalesischem Partnerbistum Thiès zusammen. Die gebürtige Bambergerin, die in Kirchaich aufwuchs, lebt seit einiger Zeit als Fachkraft für die Partnerschaft in Thiès. Sie berichtet nach der sintflutartig verlaufenden Regenzeit in dem westafrikanischen Land aber nicht nur von überlasteter Kanalisation, überschwemmten Stadtvierteln, in Schlammmassen versunkenen Autos oder von Abiturienten, die während ihrer Prüfungen mit den Füßen im Wasser in den Klassenzimmern saßen. „Die Leute waren in Zwangsquarantäne und mussten naturgegeben zu Hause bleiben“, sagt Kathrin Heil. Zu Hause, das bedeute in den typischen Großfamilien dicht an dicht und ohne den nötigen Abstand, wie es die Corona-Hygieneregeln eigentlich vorsehen. Das bedeutet eine Verschärfung der wirtschaftlich katastrophalen Lage: „Die meisten haben kein Einkommen mehr, weil es wegen der coronabedingten Beschränkungen keine regelmäßigen Beschäftigungen mehr gibt.“ Ohne Verdienst fehlt das Geld für Nahrungsmittel. Für Medikamente. Für so vieles, was der Mensch zum Überleben braucht. Und die Zahl der mit Covid-19 Infizierten und an der Lungenkrankheit Verstorbenen „steigt kontinuierlich“, beklagt Heil.
Die Krise macht deutlich, was alles nicht funktioniert.“
-Kathrin Heil
Dazu komme eine hohe Dunkelziffer an Erkrankten. Denn Personen mit Symptomen könnten sich zwar testen lassen: „Die Tests werden innerhalb eines Tages in Dakar oder in Diamniado ausgewertet“, weiß Kathrin Heil. Doch die Bereitschaft, sich testen zu lassen, sei verhältnismäßig niedrig: „Die wenn auch limitierten Testkapazitäten werden nicht vollständig ausgeschöpft.“ Und obendrein würden viele Senegalesen auf Artemisia zur Prävention setzen: eine Pflanze, die im Senegal wächst und ursprünglich in Tee- oder Tablettenform gegen Malaria eingesetzt wurde. Zudem würden viele Senegalesen aus Angst vor Ansteckung mit dem Virus die Krankenhäuser und -stationen meiden, obwohl sie ärztliche Behandlung oder regelmäßige Untersuchungen nötig hätten. Kathrin Heil: „Dies kann natürlich ernste Folgen für die Gesundheit der jeweiligen Personen haben, da viele Krankheiten eine medizinische Behandlung erfordern.“
Aktuell sei das Geldverdienen aber das größere Problem als das Virus selbst, so Kathrin Heil. Gerade im ländlichen Raum seien die Wochenmärkte limitiert, was besonders Bauern und Händler betreffe, die nur ein geringes Einkommen haben. Nachdem der am 23. März 2020 ausgerufene Ausnahmezustand im Senegal am 30. Juni 2020 geendet habe, seien die Märkte in den Städten bis auf einen Tag in der Woche wieder regulär geöffnet. Doch das Geld fehle für ausreichende Einkäufe von Lebensmitteln.
Staatliche Unterstützungsmaßnahmen lindern die ärgste Not, auch die von Unternehmen. Allerdings erfolgt die Verteilung von Grundnahrungsmitteln an die ärmsten Familien nicht immer nach transparenten Kriterien: „Korruption!“, fasst Kathrin Heil mit einem Wort zusammen. Da ist das Engagement der Caritas im Bistum Thiès besonders hilfreich: Dank diverser Spenden aus dem Ausland – auch das Erzbistum Bamberg gab 50.000 Euro – können Kinder und Familien mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln und Mund-Nasen- Bedeckungen unterstützt werden. Krankenstationen erhalten Desinfektionsmittel, Einmal-Handschuhe oder Temperaturmessgeräte.
Auch auf spirituelles Rüstzeug müssen die Katholiken nicht verzichten. Zwar finden in allen senegalesischen Bistümern (bis voraussichtlich 1. November 2020) keine öffentlichen religiösen Veranstaltungen wie Gottesdienste oder Wallfahrten statt. „Über die neuen Medien wurden aber viele kreative Ideen gefunden, um die Zeit ohne gemeinsame Gebete zu überbrücken“, sagt Kathrin Heil und nennt Gottesdienste, die nahezu täglich im Livestream via Radio, Fernsehen und Internet übertragen werden. Der diözesane YouTube-Kanal bietet zudem das „Tägliche Wort Gottes“ mit Impulsen zu den Schriftlesungen in Videoform an. Ein Novum sind auch Meditationen und Bildungseinheiten, die von Laien oder Priestern über die sozialen Netzwerke verbreitet werden.
Kathrin Heil arbeitet derzeit im provisorischen Home-Office: „ Laptop, Handy und einige Unterlagen auf dem Küchentisch!“, lacht sie. Nur in Ausnahmefällen und unter strikter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln komme es zu persönlichen Treffen mit Projektverantwortlichen. Für die deutschen Partner organisiere sie Videokonferenzen.
„Die Krise macht deutlich, was alles nicht funktioniert“, bilanziert Kathrin Heil vorsichtig. Ob der Senegal daraus lernt? Die Zukunft wird es zeigen …
Kathrin Heil
Geboren am 02.10.1985 in Bamberg
1992–1996 Grundschule Oberaurach in Trossenfurt
1996–2005 Clavius-Gymnasium Bamberg
2005–2007 Ausbildung zur Industriekauffrau bei Dr. Pfleger Arzneimittel GmbH Bamberg
2007–2010 Studium der Betriebswirtschaftslehre (Bachelor)
2010–2012 Studium der Wirtschaftspädagogik (Master) an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg
2012–2018 Geschäftsführerin Katholische Landvolkbewegung Bamberg
anschließend: Vorbereitungsseminare bei der „Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe e. V. (AGEH)“ in Köln
Seit 01.08.2018 (voraussichtlich bis 31.07.2021) Fachkraft zur Stärkung der Bistumspatenschaft Bamberg – Thiès (über AGIAMONDO e. V.)
Aufgaben: Unterstützung der Partnerschaftsprojekte in Thiès und Begleitung von Gruppen und Freiwilligen
Familienstand: verheiratet