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Unabhängige Kommission soll Missbrauch aufarbeiten und verhindern:"Das Wissen Betroffener ist ein wichtiger Erfahrungsschatz“

Das Thema Missbrauch beherrscht derzeit oft die Schlagzeilen, wenn es um die Kirche geht. Schon 2018 war das Erzbistum Bamberg an einer bundesweiten Studie beteiligt, in der alle Vorfälle in der Zeit von 1945 bis 2013 untersucht wurden. Aber die Aufarbeitung ist damit nicht abgeschlossen. Dazu hat sich im Februar eine unabhängige Kommission gebildet. Wir sprachen mit deren Vorsitzenden, der Psychologin Knarik Martirosyan und dem Juristen Matthias Kröner.
Datum:
Veröffentlicht: 1.6.21
Von:
Harry Luck
Knarik Martirosyan

Wie ist die Kommission zusammengesetzt und was ist ihre Aufgabe?

Martirosyan Die Kommission besteht aus sieben Mitgliedern. Dazu gehören neben Herrn Kröner und mir zwei Mitarbeiter des Erzbistums Bamberg, zwei von Missbrauch Betroffene und ein Moraltheologe. Die Aufgaben der Kommission sind in der gemeinsamen Erklärung der Bischofskonferenz und dem Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Missbrauchs festgelegt. Darin heißt es, die Kommission soll unter anderem eine umfassende quantitative Erhebung durchführen, den administrativen Umgang mit Tätern und Täterinnen und Betroffenen erforschen und Strukturen identifizieren, die sexuellen Missbrauch ermöglicht oder erleichtert oder dessen Aufdeckung erschwert haben.

Herr Kröner, Sie sind stellvertretender Vorsitzender und hauptberuflich Richter am Oberlandesgericht. Wie bewerten Sie den Umgang der Kirche mit Missbrauchsfällen mit dem Blick des Juristen?

Kröner Nun, was die katholische Kirche in Deutschland anbelangt, kann man rückblickend feststellen, dass ein adäquater juristischer Umgang mit Missbrauchsfällen erst sehr spät begonnen hat. Über Jahrzehnte wurden Verdachtsfälle nicht der Staatsanwaltschaft gemeldet. Das hat sich erst 2010 nachhaltig geändert, als das Ausmaß sexuellen Missbrauchs bekannt geworden und in der Öffentlichkeit diskutiert worden ist. Das Erzbistum Bamberg hat in der Folgezeit alle Akten, die Hinweise auf Missbrauch enthielten, der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg zugeleitet. Leider konnte in vielen Fällen aber keine strafrechtliche Aufarbeitung mehr erfolgen, weil die Beschuldigten bereits verstorben oder die Taten verjährt waren. Hier wurde in der Vergangenheit vieles versäumt. So gesehen ist es ein Fortschritt, wenn heute Bischöfe versichern, dass jeder Verdachtsfall bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht wird. Für eine endgültige Bewertung ist es aber noch zu früh. Wir stehen erst am Anfang unserer Arbeit.

Frau Martirosyan, Sie haben eine Praxis für Psychotherapie und klinische Hypnose. Haben Sie in diesem Umfeld auch mit Betroffenen von sexuellem Missbrauch zu tun?

Martirosyan Ja, auf der einen Seite kommen Betroffene in die Praxis, weil sie wissen, dass mit Hilfe von klinischer Hypnose sehr schonend traumatherapeutisch gearbeitet werden kann. Auf der anderen Seite führt meine ursachenorientierte Arbeitsweise bei verschiedenen psychischen und körperlichen Beschwerden dazu, dass frühere Missbrauchserfahrungen aus der Kindheit oder Jugendzeit zu Tage treten.

Matthias Kröner

Sie arbeiten in der Kommission unabhängig von der Kirche, weder der Bischof noch sonst jemand aus der Bistumsleitung kann Ihnen Anweisungen geben. Wie sieht die Zusammenarbeit mit dem Bistum aus?

Kröner Uns als Vorsitzenden ist es wichtig, die Unabhängigkeit der Kommission zu betonen. Nur so können wir unseren Auftrag zur Aufarbeitung auch sinnvoll wahrnehmen. Natürlich gibt es Schnittstellen, an denen eine Zusammenarbeit erforderlich ist. Das betrifft etwa den Zugang zu kirchlichen Akten. Dieser ist den Kommissionen in der gemeinsamen Erklärung der deutschen Bistümer zugesichert worden. Schnittstellen sind hier das Diözesanarchiv und die Personalabteilung. Organisatorisch wollen wir uns aber unabhängig aufstellen, etwa mit einer eigenen Homepage und unabhängigen Kommunikationskanälen. Klar ist für uns auch, dass eine inhaltliche Abstimmung mit dem Bistum nicht stattfindet. Wir als Kommission entscheiden, in welcher Form und welchem Umfang die Aufarbeitung stattfinden wird.

Martirosyan Insgesamt ist die Zusammenarbeit mit dem Bistum gut und konstruktiv.

Wird es auch einen Betroffenenbeirat geben?

Kröner Wir haben bereits einen Aufruf an Betroffene gestartet, sich zu melden, wenn Interesse an einer wie auch immer gearteten Mitarbeit besteht. Das Wissen Betroffener ist für unsere Aufarbeitungstätigkeit ein wichtiger Erfahrungsschatz. Zuständig für die Einrichtung und Besetzung eines solchen Beirats ist das Erzbistum, dem bislang aber nicht ausreichend Meldungen vorliegen.

Martirosyan Betroffene sind sehr wichtige Akteure in der Aufarbeitung. Wir bitten deshalb auch auf diesem Wege, Betroffene oder deren Angehörige, die sexuellen Missbrauch im Rahmen der katholischen Kirche erlitten haben, sich bei uns zu melden. Dazu gehören auch Internate, Jugendarbeit, Heime oder katholische Kindergärten.

Es hat ja schon in den vergangenen Jahren eine umfangreiche Studie zum sexuellen Missbrauch gegeben, wobei im Erzbistum Bamberg die Jahre 1946 bis 2015 betrachtet wurden. Ist geplant, an diese Untersuchungen anzuschließen?

Martirosyan Uns ist es wichtig, durch unsere Tätigkeit einen Beitrag zu leisten, in Zukunft den Missbrauch an Kindern und Jugendlichen zu verhindern. Die Kommission hat ihre Arbeit erst begonnen. Inwieweit wir unsere Vorgehensweise mit der MHG-Studie verknüpfen oder ein Gutachten in Auftrag geben, ist noch offen.

Kröner Es wird Thema der nächsten Sitzungen sein, was genau Gegenstand einer externen Untersuchung sein soll und welche Experten aus welchen Fachrichtungen beauftragt werden sollen. Wir gehen aber davon aus, dass ohne externe Fachleute eine umfassende Aufarbeitung nicht möglich sein wird.

Beratung & Hilfe

Zusätzliche Ansprechpartnerin für Betroffene ist weiterhin die Missbrauchsbeauftragte des Erzbistums, die Rechtsanwältin Eva Hastenteufel-Knörr, Tel. 0951/40735525, eva.hastenteufel@kanzlei-hastenteufel.de

Betroffene können sich melden unter: info@kommission-bamberg.de

Weitere Informationen über die Arbeit der Kommission finden Sie unter: www.kommission-bamberg.de