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Dieser Weg wird kein leichter sein

Gleichstellungsbeauftragte Astrid Franssen und Weihbischof Herwig Gössl sind für das Erzbistum Bamberg beim Synodalen Weg dabei. Beide sind sich einig: Veränderungen wird es geben.
Datum:
Veröffentlicht: 1.6.20
Von:
Karl Lober
Gössl / Franssen

Sie kennen bestimmt das Lied „Dieser Weg wird kein leichter sein“. Summen Sie das manchmal vor sich hin, wenn Sie an den Synodalen Weg denken?

Gössl: Diese Musik ist nicht so mein Stil, aber den Inhalt kann ich durchaus teilen. Es war von Anfang an klar, dass der Weg nicht einfach wird. Inzwischen sehe ich ihn aber etwas optimistischer.

Warum?

Gössl: Ich habe bei den ersten Begegnungen in Frankfurt positive Erfahrungen gemacht. Dort herrschte meistens eine konstruktive Gesprächsatmosphäre. Aber mir ist auch klar, dass wir nicht in der Schlussphase sind, vor der habe ich noch etwas Respekt.

Franssen: Ja, das wird sicher noch spannend am Ende. Ich sehe sehr viel Potenzial im Synodalen Weg, auch wenn es sicher stimmt, dass es kein leichter Weg sein wird.

Herr Weihbischof, Sie sind Mitglied im Forum zur Sexualmoral.

Gössl: Es ist in diesem Forum sehr wertschätzend gesprochen worden. Man hat sich gegenseitig zugehört. Es konnte wirklich jeder alles sagen. Bei strittigen Punkten wurden dann die Mehrheits- und die Minderheitsmeinung festgehalten, damit man weiterarbeiten kann. Und das ist schon ein Ausdruck der großartigen Gesprächskultur, die da drinsteckt. Nur irgendwann wird man zu einem Punkt kommen müssen, dass man nicht Mehrheits- und Minderheitsmeinung festhalten kann, sondern zu einem Abschlusstext kommen muss. Und das wird dann spannend werden.

In Ihrem Forum geht es um priesterliche Lebensformen, Frau Franssen. Da drängen sich brisante Fragen auf. 

Franssen: Ich denke, es gibt viele Punkte, wo man sich einigen kann, wo es einfach Veränderungen geben kann, darf, soll. Schwieriger wird es wohl bei Fragen wie dem Zölibat oder der Weihe von Frauen. Hier sind wir bei den Themen, wo man wirklich an die Grenzen stoßen wird, was wir in Deutschland als Kirche entscheiden dürfen und was eben auch nicht.

Gössl / Franssen

Jetzt haben Sie die Z-Frage, den Zölibat, schon angesprochen. Unser Erzbischof hat ja angeregt, dass es mehr Ausnahmen vom Zölibat geben soll. Wie könnte das in der Praxis aussehen?

Gössl: Indem man auf die Einzelfälle guckt und sagt, da ist jetzt ein geeigneter Kandidat für die Priesterweihe, der aber verheiratet ist. Dass man also diese Möglichkeit, die es immer schon gab für die evangelischen oder anglikanischen Pastoren, eben ausweitet auf andere Fälle. Und da ist ja grundsätzlich auch nichts dagegen zu sagen.

Franssen: Ich habe es selber in meiner eigenen Kirchengemeinde erlebt, dass unser damaliger Pfarrer sich verliebt hat in eine Frau und aus dem Dienst ausgeschieden ist. Und ich sage, das ist so schade für die katholische Kirche. Das war so ein toller Mensch für die Gemeinde. Das finde ich einfach bedauerlich. Nur weil die Liebe einen erwischt hat ...

Gössl: Naja, dieses Problem werden wir auch mit einer Aufhebung der Zölibatsverpflichtung nicht einfangen.

Franssen: Ja, aber er ist dann konvertiert und jetzt evangelischer Pfarrer. Das ist doch schade, dass so gute Menschen mit so tollen Charismen uns für die Rolle als Priester verloren gehen durch solche Lebensentwicklungen.

Auf der Amazonas-Synode wurde ja diskutiert, verheiratete Priester für entlegene Gebiete im Amazonas zu erlauben. Gilt für Sie auch die Aussage eines Bamberger Domkapitulars, der gesagt hat, der Amazonas ist auch im Frankenwald?

Gössl: Ich glaube, das ist eine arge Vereinnahmung des Amazonas. Es ist ein Problem, dass wir uns ständig ins Zentrum des weltkirchlichen Geschehens platzieren. Wir sind nicht der Amazonas, wir haben auch längst nicht die Probleme des Amazonas. Und wir würden auch, wenn wir jetzt doppelt so viele Eucharistiefeiern halten könnten wie im Moment, trotzdem nicht mehr Gläubige haben.

Franssen: Uns fehlt so dringend der Priesternachwuchs. Da braucht es ganz viel neuen Schwung. Da muss man auf Studium und Ausbildung schauen: Wie kann dieser Beruf oder diese Berufung für junge Menschen wieder attraktiv sein und auch eine Erfüllung bieten? Mit dem momentan angeknacksten Ruf der Kirche ist das natürlich doppelt schwierig.

Es wird viel über den Zölibat geredet, seine Abschaffung oder Lockerung gefordert. Sie, Herr Weihbischof, haben sich für ein zölibatäres Leben entschieden. Jetzt hätten Sie mal die Möglichkeit, auch was Positives über den Zölibat zu sagen.

Gössl: Ich sage sehr viel Positives über den Zölibat. Und ich bin auch nicht für die Abschaffung. Das heißt nicht, dass man nicht über Ausnahmeregelungen reden kann. Aber das Hauptproblem ist, dass der Zölibat als eine schlimme Last gesehen wird, die man loswerden muss. Wir müssen Wege finden, dass diese kostbare Lebensform auch gut erhalten werden und auch ausstrahlen kann. Es bringt ja nichts, wenn jemand nur verbissen und verkrampft diese Lebensform irgendwie durchsteht. Sie soll die Freiheit und die Ungebundenheit ausstrahlen. Ich bin ein Verfechter des Zölibats. Er ist ein Zeichen, dass jemand, weil er dazu berufen ist, auch durch seine Lebensform deutlich macht, ich habe mein Herz sozusagen über diese Welt hinausgeworfen. Das wird natürlich schwierig, wenn der Zölibat freiwillig wird. Dann bin ich halt ein Single unter vielen Millionen Singles in Deutschland. Dann ist er kein Zeichen mehr.

Franssen: Ich denke, dass einem zölibatär Lebenden ein alltägliches Gegenüber fehlt. Er kann nicht am Abendbrottisch Themen diskutieren oder Feedback bekommen. Man müsste eine Lebensform finden, in der ein Priester nicht mit seinen Gedanken allein ist. Vielleicht braucht es so etwas wie Priester-WGs.

Gössl: Zölibatär leben heißt nicht vereinsamen! Ich habe mich auch als Pfarrer nie einsam gefühlt, nicht einen Tag! Wobei wir natürlich heute schon das Problem haben, dass wir in einer stark individualisierenden Zeit leben und die Fähigkeit zum Zusammenleben auch immer weniger wird, bei jungen Leuten auch. Die Versuche mit Priester- WGs gab es schon, und sie sind oft missglückt, wenn da lauter Individualisten aufeinandertreffen. Was ich mir gut vorstellen könnte, wäre das Zusammenleben mit einer Familie: ein Haus, zwei Wohnungen, eine Familie und der Priester. Und man hat Lebensgemeinschaft, aber man hat auch seine Rückzugsorte.

Synodaler Weg

Frau Franssen, ist es für Sie merkwürdig, sich als verheiratete Frau in einem Forum über priesterliche Lebensformen auseinanderzusetzen?

Franssen: Es wäre nicht gut, wenn nur Priester über dieses Thema diskutieren. Es ist wichtig, dass Frauen ihren Geschlechterblick einbringen. Die engagierten Frauen stehen im Moment vor den Kirchentoren und wollen Veränderungen. Von daher finde ich das umso wichtiger, dass ganz viele Frauen auch an diesem Synodalen Weg mitarbeiten und mitgestalten. Und ich glaube, dass da ganz, ganz viel einfach passieren muss, weil diese Frauen nicht ruhig bleiben. Da müssen wir Antworten geben. Ich habe neulich Presseartikel aus den 70er Jahren von der Würzburger Synode gelesen. Da sind die gleichen Themen diskutiert worden. 40, 50 Jahre sind vergangen, und die Fragen sind immer noch dieselben. Und sie sind für viele, inzwischen ehemalige, Kirchenmitglieder nicht beantwortet worden. Wir sollten aber den Synodalen Weg nicht nur auf die Punkte Zölibat und Frauenpriestertum zuspitzen. Es gibt ja ganz viele Elemente davor, daneben, rundherum, wo wir weiterkommen können.

Sie sind auch Gleichstellungsbeauftragte im Ordinariat, deswegen ist es auch Ihr Anliegen, sich für die Gleichstellung von Frauen einzusetzen.

Franssen: Zunächst ist es meine Aufgabe, innerhalb des Systems, vor allem im Ordinariat, Frauen zu stärken, zum Beispiel wenn es um die Besetzung von Leitungspositionen geht. Ich bin sehr gespannt auf die weiteren Entwicklungen in der Bistumsleitung: Wird es eine Ordinariats-Direktorin geben oder werden die neuen Hauptabteilungsleitungen, die jetzt frei werden, mit Frauen besetzt? (Anm. d. Red: Nach Redaktionsschluss wurde bekannt gegeben, dass Jutta Schmitt zum 1. September 2020 das Amt der Ordinariatsdirektorin übernimmt.)  Was die Frauenweihe angeht, da gibt es ja sehr widersprüchliche theologische Begründungen. Bislang dominierend ist die ablehnende Argumentation. Aber es gibt auch genügend theologische Begründungen, die eine Öffnung für das Priestertum der Frauen für möglich halten.

Gössl: Diese Debatte kenne ich ja auch schon seit Kindestagen. Ich habe nie behauptet, dass es keine Argumente für das Priestertum der Frau gibt. Ich möchte aber auch bitten, die anderen Argumente ernst zu nehmen. Zu welchen Lösungen man dann findet, weiß ich nicht. Aber wenn wir den Erfolg des Synodalen Wegs davon abhängig machen, dass alle Ämter für Frauen geöffnet werden, dann können wir eigentlich auch gleich aufgeben.

Wie groß ist bei Ihnen die Frustration, wenn von Bischöfen immer wieder mit Verweis auf das Papst-Wort gesagt wird, bei der Frauen-Priesterweihe ist die Tür zu, für alle Zeiten?

Franssen: „Für alle Zeiten“? So weit kann keiner von uns gucken. Ich bin in dieser Kirche groß geworden und kenne sie nicht anders. Daher ist es weniger eine persönliche Frustration als eine strukturelle. Mal abgesehen von der Priesterebene: Wir haben auf Verwaltungsebene immer noch viel zu wenig Frauen in Leitungspositionen. Wenn wir hier Gleichberechtigung hätten, dann würden vie- le Frauen vielleicht eher akzeptieren, dass das Priestertum für sie ausgeschlossen ist. Es kann in der Kirche nicht nur darum gehen, dass Frauen beim Gemeindefest den Kuchen backen, das Geschirr aufräumen und dann vom Pfarrer ein Dankeschön kriegen. Kirche mitgestalten kann man an vielen Stellen und nicht nur immer als Priester oder als Bischof.

Gössl / Franssen

Können Sie diese Frustration der Frauen verstehen, dass ihnen diese Tür offenbar verschlossen ist?

Gössl: Wenn man es als ein Recht begreift, das da verwehrt wird, dann kann ich es gut verstehen. Ich verstehe es aber ein bisschen anders. Ich sehe nicht, dass es ein Recht auf die Priesterweihe gibt, auch nicht für Männer. Aber gut, an dieser Kante entlang geht wahrscheinlich die ganze Auseinandersetzung.

Franssen: Genau.

Kritiker des Synodalen Wegs befürchten ja, dass da Dinge am Ende rauskommen könnten, die möglicherweise gar nicht mehr katholisch sind, oder dass die Kirche in Deutschland sich von der Weltkirche irgendwie abspalten könnte.

Gössl: Das ist auch eine Frage der Betrachtungsweise, glaube ich. Für manche ist ja schon eine kleine Veränderung eine große Sache. Und ich denke, Veränderungen wird es geben. Das ist ganz klar. Aber dass sich die Kirche in Deutschland sozusagen vom Rest abspaltet, das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, auch nicht nach den Äußerungen, die da so in Frankfurt gefallen sind.

Franssen: Beim Synodalen Weg arbeiten Menschen mit, denen ihre Kirche am Herzen liegt, die sich gemeinsam auf den Weg gemacht haben, die Kirche weiterzuentwickeln. Vielleicht entspricht nicht alles, was am Ende rauskommt, dem, was Rom sich wünscht. Aber vielleicht sind auch Elemente dabei, die wir von Deutschland aus in die Weltkirche einbringen können.

Gössl: Genau. So ist auch mein Eindruck.

Welche Vision haben Sie, was am Ende des Synodalen Wegs stehen könnte?

Franssen: Dass wir jetzt in diesen Prozess reingehen und uns auf Augenhöhe begegnen, Frauen und Männer, Laien, Priester, Bischöfe, Kardinäle, miteinander diskutieren, dann kann das ein Vorbild sein und Signale aussenden in die ganze Kirche, in jede Pfarrei. Ich wünsche mir eine Veränderung zu einer positiveren Wertschätzung, die die Menschen in ihrer Vielfalt annimmt und niemanden ausschließt. Das wäre ein wichtiges Signal.

Gössl: Ich erhoffe mir insgesamt für das Leben von Kirche ein Ringen darum, dass man miteinander auf dem Weg bleibt und dass nicht Einzelne außen vor bleiben. Der Synodale Weg bedeutet für mich ein Zusammen-Gehen. Man geht zusammen und schaut, dass möglichst keiner auf der Strecke bleibt. Und das erhoffe ich mir eigentlich als Ergebnis für die Kirche von Deutsch- land. Und das betrifft Kleriker und Laien gleichermaßen. Das ist mein Zukunftsbild.

Was ist der synodale Weg?

Eichler

Der Synodale Weg wird sich auch daran entscheiden, was an Synodalem sich auf diesem Weg zeigt. Beispielsweise eine Kultur, die eigene Grenzen überschreiten hilft und mit etwas rechnet, was noch gar nicht am Horizont auftaucht.“

-Wolfgang Eichler, Diözesaner Ansprechpartner für den Synodalen Weg

Der Synodale Weg ist ein strukturierter Gesprächsprozess innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland, der zunächst für zwei Jahre angedacht ist. Als direkte Konsequenz aus dem Missbrauchsskandal wird in freier und offener Debatte zu folgenden Themen diskutiert: „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“, „Leben in gelingenden Beziehungen“, „Priesterliche Existenz heute“ und „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“.

Für das Erzbistum Bamberg nehmen an den Versammlungen und Fo- ren Erzbischof Dr. Ludwig Schick, Weihbischof Herwig Gössl, Pfarrer Christoph Uttenreuther (Priesterrat) und Klaus Koschinsky (Diözesanrat) teil. Weitere Teilnehmende, die auf dem Gebiet des Erzbistums wohnen, sind: Franziskusschwester Franziska Dieterle OFM (für die Deutsche Ordensoberenkonferenz), die Philosophin Hanna Barbara Gerl-Falkovitz (für die Deutsche Bischofskonferenz), die Literatin Nora Gomringer (für das Zentralkomitee der deutschen Katholiken) sowie Astrid Franssen (Mitglied der Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten der katholischen Bistümer).

Wer Fragen hat, kann sich an den Diözesanen Ansprechpartner für den Synodalen Weg, Diözesanreferent Wolfgang Eichler, wenden (Kontakt: synodalerweg@erzbistum-bamberg.de). Er fungiert als Bindeglied zwischen dem Büro des Synodalen Wegs in Bonn, dem Erzbistum und den am Prozess beteiligten Organisationen. Zu seinen Aufgaben zählen unter anderem, Anliegen und Intention des Synodalen Wegs im Erzbistum zu verankern.

Weitere Infos unter www.synodalerweg.erzbistum-bamberg.de