Ein Tässchen Gerechtigkeit
Andreas Schneider nimmt einen Schluck aus seiner orangefarbenen Tasse. Duftender Kaffee aus Mexiko. Auf das halbe Kilo Bohnen gerechnet ist der „Fuego y Palabra“ rund drei Euro teurer als Massenware aus dem Supermarkt. Dafür sichert er Kaffeebauern in Südamerika ein ordentliches Einkommen, Arztbesuche und den Kindern Schulbildung. Fair Trade macht es möglich. Und das hat für den Theologen und Weltladen‐Leiter „sehr viel mit dem Christsein zu tun“.
Es riecht nach Gewürzen, Tee und Kaffee, von dem mehr als 50 Sorten in bunten Verpackungen in den Regalen des Eine‐Welt‐Ladens in der Fürther Innenstadt liegen. Außerdem Schokoladen, Tee und handgemachte Schnitzereien. Das kleine Geschäft ist proppevoll mit fair gehandelten Produkten. Und die finden ordentlichen Absatz. „Ich glaube, immer mehr Verbraucher informieren sich, wo ihre Einkäufe herkommen“, sagt Andreas Schneider. Einen Abend zuvor lief bei einem großen Privatsender eine längere Dokumentation über Fairen Handel. „Das zeigt, wie relevant das Thema ist.“ Mittlerweile werben viele Klamottenläden auch außerhalb der Großstädte mit Jeans aus nachhaltiger Produktion. Coffeeshop‐Ketten haben nachhaltig gefertigte Bohnen im Programm und nicht wenige Jugendliche tippen an den Tischchen darin auf Fairphones statt iPhones.
Eine Mittdreißigerin kommt, ihr Baby in einer Trageschlaufe auf dem Rücken tragend, in den Weltladen. Sie suche etwas für eine Taufe, sagt sie Mitarbeiterin Birgit Jungkunz. Die Frauen stöbern im Spielwarenregal bei den Kuscheltieren. So ähnliche gibt es auch im Fachhandel. „Aber ich finde es gut, wenn man mit seinem Einkauf vielleicht ein bisschen was Gutes tun kann“, sagt die Lehrerin in Elternzeit. Alles kaufe sie zwar nicht „Bio“ oder „Fair Trade“ ein. „Aber ich mache mir Gedanken, welche Anbieter man unterstützen sollte.“
Mein Einkaufs‐ und Konsumverhalten ist Gottesdienst im Alltag der Welt“
Dass sich jeder solche Gedanken macht, wünscht sich Andreas Schneider. Er setzt sich als Vorsitzender im Trägerverein des Fürther Weltladens und als Berater des Erzbistums Bamberg seit mehr als 20 Jahren für bewussten Konsum ein. 2009 hat er das Projekt „Bamberger Bistumskaffee“ angestoßen, das fair gehandelten Kaffee im Erzbistum vertreibt. Viele Pfarreien decken sich unter Schneiders Beratung mit fairen Produkten ein: Kaffee, Blumenschmuck, umweltschonendes Papier oder regionaler Fruchtsaft von der Streuobstwiese. „Zu bewusstem Konsum gehört auch, statt Südfrüchten mal Obst vom Bauern vor Ort zu kaufen“, sagt er. Das unterstützt die regionale Wirtschaft und verkürzt die Wege. Also gibt es weniger Frachtverkehr und damit mehr Umweltschutz.
„Mein Einkaufs‐ und Konsumverhalten ist Gottesdienst im Alltag der Welt“, überträgt Andreas Schneider den bewussten Konsum auf seinen christlichen Glauben. „Wir haben eine Mitverantwortung für die Schöpfung. Die wird uns im Evangelium aufgetragen.“ Und nur darüber zu reden, sagt der Diplom‐Theologe, reiche ihm nicht.
Die Qualität von fairen Produkten hat spürbar zugenommen
Birgit Jungkunz arbeitet während einer Auszeit von ihrem Beruf bei der Bank ehrenamtlich für den Weltladen. Für sie war es von Kindheit an selbstverständlich, in Weltläden einzukaufen. „Das kam durch meine Mutter. Wir haben den fair gehandelten Kaffee auch schon getrunken, als er noch gar nicht gut geschmeckt hat“, sagt die 43‐Jährige und lacht. Früher sei die Qualität der fairen Produkte der Industrieware unterlegen gewesen. „Mittlerweile sind zum Beispiel unsere Kaffees aber fast alle Premium‐Ware“, fügt Andreas Schneider an. Da seien zwei, drei Euro mehr pro Pfund im Gegensatz zum normalen Filterkaffee gut angelegt. Ein Pfund „Fuego y Palabra“ kostet rund neun Euro. Auf die Tasse gerechnet sind das nicht mal zehn Cent. Wer Kapsel‐Kaffee trinkt, gibt mit über 30 Cent deutlich mehr aus.
Zumal, dass fair gehandelte Waren teurer sein müssen, stimmt so nicht. „Sie bekommen T‐Shirts für acht Euro“, sagt der Experte. Die gleiche Stoffqualität könne beim großen Sportartikelhersteller das Fünffache kosten. „Die wollen zum einen viel Rendite, zum anderen investieren sie in riesige Werbe‐Budgets“, sagt Andreas Schneider.
Mit den Erlösen von Fair‐Trade‐Produkten wird in den Erzeugerländern, die oft Entwicklungsländer sind, „Hilfe zur Selbsthilfe geleistet“, sagt Schneider. Zum Beispiel durch den Bau von Schulen. In welche Projekte die Gelder in Mexiko, Brasilien oder Indien dann flössen, werde vor Ort demokratisch beschlossen. „Fairer Handel soll Autonomie ermöglichen. Wir müssen weg von der Bevormundung.“