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Weihnachten in Kriegszeiten:Eine Familie erzählt vom Leben im Exil

 
Der Krieg in der Ukraine überschattet die vorweihnachtliche Zeit. Tod, Kampf, Leid statt gemeinsamer Vorfreude auf das Fest der Nächstenliebe. Viele mussten aus der Ukraine fliehen, wie Vlada, die mit ihren zwei Töchtern in Deutschland Schutz gesucht und im Erzbistum Bamberg Zuflucht gefunden hat. Wir erfahren, wie sich das Fest in diesem Jahr für sie anfühlt. Bleibt Raum für ein Licht der Hoffnung in dieser dunklen Zeit?
Datum:
Veröffentlicht: 1.12.22
Von:
Regina Schwab

Kahle, weiße Wände. Ein großer heller Raum in einer Altbauwohnung in der Luitpoldstraße, mitten in Bamberg. Keine Deko, keine Bilder, nichts Persönliches. Nur ein Regal voller Spiele lässt den Rückschluss zu, dass hier ein Kind lebt. Vlada wohnt hier mit ihren Töchtern Swjata und Alisa zusammen mit fünf weiteren Ukrainerinnen. Sie mussten Anfang des Jahres aus ihrem Heimatland flüchten. Ihr Zuhause ist also eigentlich gar nicht dieser sterile, leere Raum. Swjata sitzt mit einem braunen Teddybären, fast so groß wie sie selbst, auf dem Stuhl und versteckt sich hinter ihm. Noch vor einem Jahr hätte sie auf einem roten Sofa im Wohnzimmer in Kramatorsk gesessen und hinter dem Bären hervorgespitzt.

Unterschiedliche Bräuche

Große blaue Augen, dann eine schnelle Bewegung und zack hat sie sich ein paar Nüsse vom Teller geschnappt, der auf dem Tisch steht. Daneben Lebkuchen und Feigen. Zimtsterne, Butterplätzchen, Spritzgebäck – das gibt es bei der ukrainischen Familie nicht. Bis zum 6. Januar ist fasten angesagt. Orthodoxe Christinnen und Christen feiern Weihnachten nämlich am 7. Januar und am Vorabend gibt es kein Fleisch, sondern traditionell Kutja, ein einfaches Gericht aus gekochten Weizenkörnern, Honig und Mohn. Erst zum großen Weihnachtsfest, dem Svjata Vecherja, wird für die ganze Familie mit zwölf Gerichten aufgetischt – genau zwölf, symbolisch für die zwölf Jünger Jesu.

Ob das dieses Jahr auch möglich ist, weiß Vlada noch nicht. Sie zuckt mit den Schultern und doch huscht ein zaghaftes Lächeln über ihr Gesicht: „Vielleicht kommen meine Eltern aus der Ukraine uns besuchen.“ Alle Verwandten von Vlada sind im Kriegsgebiet zurückgeblieben und wollten nicht gehen. Vlada hat es für ihre Kinder getan. In Bamberg angekommen, hat das Bistumshaus St. Otto die Familie aufgenommen. Viele Monate haben sie dort zusammen mit anderen Ukrainerinnen und Kindern gelebt, bis sie in die Gemeinschaftswohnung umziehen konnten. Durch die Fürsorge und Hilfe hat sie sich von Anfang an in Bamberg wohlgefühlt.

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Ich habe mich vor einem Monat selbst dabei ertappt, dass ich nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich zur Ruhe komme."

Weihnachten hoch zwei

Für Vlada ist Weihnachten eine stressige Zeit, denn sie muss die Ge- schenke für alle besorgen. Normaler- weise hat sie bis November schon alles erledigt. „Bei uns wird zwei Wochen durchgefeiert“, sagt sie und lacht. Fragt man Swjata, was sie an Weihnachten am meisten mag, bekommt man ein lautes „Geschenke“ als Antwort. Geschenke gibt es nicht nur am 7. Januar, sondern auch am 25. Dezember. Dieses Jahr ist es für die Familie sogar etwas ganz Besonderes: „Wir haben in diesem Jahr die Möglichkeit zu sehen, wie Katholiken Weihnachten feiern, und daran werden wir sehr gerne teilnehmen.“ Sie möchten einen Gottesdienst besuchen. Im Dezember also Weihnachten mit katholischen Traditionen, im Januar wie in der Ukraine. Nur, dass sie nicht in der Ukraine sind. Vlada atmet schwer.

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Sichere Zuflucht

Sie sammelt sich kurz, bevor sie erzählt: „Mein Tag beginnt und endet damit, dass ich Nachrichten schaue und verfolge, was zuhause los ist“, sie muss schlucken, „aber ich habe zwei Kinder und möchte auf keinen Fall, dass sie sich so fühlen, als ob ihnen jemand etwas weggenommen hat. Deswegen werde ich mir für meine Kinder alle Mühe geben, die Feiertage bestmöglich zu machen und auch so wie in der Ukraine.“

Sie spürt, dass sie in Deutschland in Sicherheit ist. Das merkt man auch an ihrer entspannten Haltung, ihrer aufgeschlossenen Art, ihrem Lächeln. „Ich habe mich vor einem Monat selbst dabei ertappt, dass ich nicht nur äußerlich, sondern auch in- nerlich zur Ruhe komme.“ Der Alltag bringt sie auf andere Gedanken, weg von Bombenangriffen und Gewalt. Angst hat sie trotzdem. Um ihre Familie und ihr Zuhause, Angst davor, dass sie keinen Ort mehr haben könnten, an den sie zurückkehren können.

Ihre Heimatstadt steht weiter unter Beschuss und sie glaubt auch nicht, dass das an Weihnachten aufhört. „Die Russen kann sowas nicht stoppen, schon an Ostern haben sie die ganze Ukraine mit Bomben bedeckt.“

Ein realistischer Weihnachtswunsch?

Würde Vlada einen Wunschzettel schreiben, wäre Frieden für die Ukraine ihr Herzenswunsch. „Ich möchte, dass in unserer Heimat, in der Ukraine, Frieden herrscht und unsere Feinde einfach verschwinden wie Tau.“ Ein Traum oder vielleicht schon bald Wirklichkeit? Das kann niemand sagen, aber Weihnachten ist ja bekanntlich das Fest der Hoffnung. Vlada und ihre Familie haben noch Hoffnung, auch wenn sie diesen Heiligabend mit ihren Mitbewohnerinnen unter einem Plastikweihnachtsbaum verbringen werden. Die Geburt des Erlösers wird gefeiert – das muss doch etwas zu bedeuten haben.

Hilfe für Geflüchtete aus der Ukraine durch das Erzbistum Bamberg

  • Das Bistumshaus St. Otto hat im März 24 geflüchtete Frauen und Kinder aufgenommen und in den Räumen des Seminar- und Tagungshauses untergebracht.
  • Deutschkurse, Nachmittagsbetreuung, Schulunterricht und Freizeitangebote wurden an den Schulen der Erzdiözese in Bamberg, Nürnberg und Schillingsfürst gemeinsam mit dem Schulreferat erfolgreich ins Leben gerufen.
  • Die 14 Stadt- und Kreis-Caritasverbände bieten Asylrechts- und Sozialrechtsberatung an, unterstützen mit Anlaufstellen für Erstinformationen, Deutschkursen, Kinderbetreuung, Eltern-Kind-Gruppen und Gemeinschaftstreffen. Außerdem werden Sach- und Geldspenden organisiert und seelsorgerische Betreuung bereitgestellt.
  • Die Malteser betreuen ukrainische Geflüchtete in ihren Einrichtungen und organisieren Hilfe in den sieben Standorten durch Haupt- und Ehrenamtliche.
  • Auf der Homepage des Erzbistums Bamberg unter www.erzbistum-bamberg.de sind in einer zentralen Übersicht alle Einrichtungen und Organisationen im Erzbistum Bamberg gelistet, die Hilfe für die Ukraine bereitstellen.

(Die Aufzählung der Hilfsangebote erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.)