Zum Inhalt springen

Emeritierter Bischof von Bamberg :Erzbischof emeritus Ludwig Schick: Über Missbrauch in der Kirche

Erzbischof emeritus Ludwig Schick
Datum:
Veröffentlicht: 1.12.22
Von:
Harry Luck

„Missbrauch ist Mord an Kinderseelen“

Welche Rolle spielt der Betroffenenbeirat für Sie bei der Aufarbeitung von Missbrauch in der Kirche?

Die Betroffenen und Opfer müssen immer an erster Stelle stehen, ihnen muss die ganze Aufmerksamkeit gelten. Wenn wir die Zahlen nennen, muss immer deutlich sein, dass jeder einzelne Missbrauchsfall ein Verbrechen ist, das oft dauerhaft die Lebensgeschichte eines Menschen beeinträchtigt oder zerstört. Missbrauch ist Mord an Kinderseelen! Dass die Betroffenen jetzt in einem Gremium organisiert sind und aktiv an der Aufarbeitung mitwirken, ist sehr wichtig.

Welche Hilfe bieten Sie den Betroffenen an?

Mit jedem Betroffenen, der das möchte, führe ich ein persönliches Gespräch, an dem auch eine Person aus dem Arbeitsstab für die Prüfung von Vorwürfen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Geistliche der Erzdiözese teilnimmt. Auch die betroffene Person kann selbstverständlich eine Vertrauensperson mitbringen. Ich habe schon viele solcher Gespräche geführt, die mich immer tief berühren. Es erschüttert und beschämt mich stets neu, welche unsäglichen Untaten von Priestern und anderen Vertretern der Kirche begangen wurden.

Alle Meldungen von Missbrauch werden von den Beauftragten für Missbrauchsfälle und dem dazu gehörigen Arbeitsstab behandelt. Das gilt seit 2002. Anträge auf Geldleistungen für erlittenes Leid werden an die Unabhängige Kommission in Bonn weitergeleitet; dort wird entschieden, ob Anerkennungsleistungen gezahlt werden und in welcher Höhe. Wir können hier nicht von „Entschädigung“ sprechen, denn Missbrauch kann man nicht entschädigen. Aber wir können versuchen, soweit das möglich ist, den Opfern Hilfen zukommen zu lassen.

Was tut die Kirche, damit Missbrauch nicht mehr passiert?

Wir haben heute umfassende und strenge Richtlinien sowohl zur Aufarbeitung und zum Umgang mit Missbrauch als auch vor allem zur Prävention. Im Ordinariat gibt es eine eigene Stabsstelle, deren Aufgabe es ist, für alle Mitarbeitenden im Erzbistum umfassende Präventionsschulungen zu organisieren. Jeder Einzelne ist zu diesen Fortbildungen verpflichtet, deren Umfang sich danach richtet, wie viel er in seiner Arbeit mit Kindern, Jugendlichen oder Schutzbefohlenen zu tun hat.

Seit Jahren arbeiten wir daran, dass im Erzbistum eine „Kultur der Achtsamkeit“ herrscht. Vertuschungen oder die heimliche Versetzung von Beschuldigten, wie sie früher leider üblich waren, sind heute nach den Richtlinien der Deutschen Bischofskonferenz absolut ausgeschlossen. Bei jedem Fall wird die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.