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Flügge, Erik: Über die Relevanz der Kirche

Erik Flügge
In seinen Büchern „Jargon der Betroffenheit“ und „Eine Kirche für viele statt heiligem Rest“ setzt er sich mit der Frage auseinander, wie Kirche wieder relevanter werden kann. Wir haben Flügge in Bad Windsheim getroffen zu einem Gespräch über gute Trauerarbeit, Hausbesuche und christlichen Hip-Hop.
Datum:
Veröffentlicht: 1.6.19
Von:
Redaktion Leben

Herr Flügge, wann haben Sie zuletzt einen Gottesdienst erlebt, der Ihnen gefallen hat?

Erik Flügge: Die besten Gottesdienste, die ich erlebe, sind Beerdigungen, weil da alles stimmt: Das Angebot passt zum Bedürfnis derjenigen, die zur Beerdigung kommen und die emotionale Lage, in der sich alle Anwesenden befinden, ist gleich. Das schafft Gemeinschaftsgefühl. Es ist übrigens ein Alleinstellungsmerkmal von Kirche, dass sie in jedem Dorf jemanden hat, der oder sie sehr gut mit den Themen Trauer und Tod umgehen kann. Damit sollte sie offensiv umgehen und sagen: Das ist etwas, das wir aus Kirchensteuer finanzieren, was allen zugutekommt.

Eine Sozialstudie der evangelischen Kirche von Ende 2018 hat ergeben, dass nur ein Fünftel der jungen Deutschen sich noch als religiös einstuft. Woran liegt das?

Ich finde eine andere Zahl in der Studie noch alarmierender. Nur acht Prozent der Befragten haben angegeben, dass Engagement für andere ihnen wichtig sei. Die katholische Kirche in Deutschland mit ihren 23 Millionen Mitgliedern muss sich dann fragen, wo sie versagt hat. Sie muss vorleben und vermitteln, dass das Einstehen für andere etwas ist, das gesellschaftliches Leben ausmacht.

Deswegen treibe ich meine eigene Kirche, in der ich gerne Mitglied bin, voran und sage: Wir müssen mehr investieren in Kontaktarbeit und Beziehungspflege mit denen, die nicht zu den zehn Prozent der Katholiken gehören, die noch aktiv am Gemeindeleben teilnehmen. Ein Modell können Hausbesuche sein, bei denen gesagt wird: Guten Tag. Wir sind übrigens beide in der gleichen Kirchengemeinde. Wenn Sie Lust haben, kommen Sie doch mal vorbei.

Kann Kirche so attraktiver werden für Jugendliche?

Sie sollte auf jeden Fall nicht versuchen, Trends zu imitieren. Wir brauchen keine christliche Rapmusik von Leuten, die diese Jugendkultur gar nicht leben. Nachäffen bringt keinen Erfolg. Wir müssen Gott aber eine größere Alltäglichkeit verschaffen, indem wir eine Sprache wählen, der weniger aufgesetzte Heiligkeit und mehr Glaubwürdigkeit anhaftet. Kirche braucht Botschafter, die in ihrem natürlichen Handeln und im normalen Gespräch – ganz natürlich – glaubhaft machen, dass sie wirklich an Gott glauben. Das muss im offenen Dialog auf Augenhöhe und in Alltagssituationen passieren und nicht nur als Verkündigung von der Kanzel.

Erik Flügges Vortrag beim Neujahrsempfang des Erzbistums Bamberg finden Sie hier zum Nachlesen!

Wir haben junge Menschen befragt, was Sie über die Kirche denken. Die Antworten lesen Sie hier.