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Im Kreativfeld der engagierten Christen

Im Kreativfeld der engagierten Christen
Juliana Sitzmann ist seit einem Jahr Geschäftsführerin des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum Bamberg. Im Interview spricht sie über die Rolle von Ehrenamtlichen, die Wahl zum Pfarrgemeinderat im März und ihre persönliche Vision von einer Kirche der Zukunft.
Datum:
Veröffentlicht: 7.1.22
Von:
Harry Luck

Frau Sitzmann, wenn Sie in Ihrem Bekanntenkreis von Ihrem Job erzählen, wie sind dann die Reaktionen?

Zunächst kommt tatsächlich eine neugierige Nachfrage, von was genau ich die Geschäftsführerin bin. Viele können sich darunter wenig vorstellen.

Wie erklären Sie dann den Diözesanrat?

Der Diözesanrat ist ein Zusammenschluss der Katholikinnen und Katholiken in einer Diözese. Geschichtlich betrachtet wurde im Zweiten Vatikanischen Konzil vor rund 60 Jahren beschlossen, beratende Gremien einzurichten, die die Tätigkeit der Kirche im Zusammenwirken von Klerikern und Ordensleuten mit den Laien unterstützen. Die Rätestruktur innerhalb der Kirche reicht von Pfarrgemeinderäten in den Kirchengemeinden vor Ort bis hin zum Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) auf Bundesebene. Der Diözesanrat ist sozusagen eine mittlere Ebene.

Im Blick auf die Rätestruktur: Was sind die Aufgaben des Diözesanrats und im Besonderen der Geschäftsführung?

In erster Linie geht es darum, die Anliegen der Gläubigen zu vertreten – sowohl innerkirchlich als auch in der Öffentlichkeit. Entwicklungen im gesellschaftlichen, staatlichen und kirchlichen Leben werden beobachtet und zu entsprechenden Fragen Stellung genommen. Besonders wichtig ist vor allem auch, die Arbeit der Pfarrgemeinderäte und der Seelsorgebereichsräte anzuregen und zu fördern. Meine Aufgabe ist dabei, den Diözesanrat in seiner Arbeit zu unterstützen. Das vergangene Jahr war geprägt von der Erarbeitung der neuen Satzung und Wahlordnung, die im Rahmen der Neustrukturierung der Erzdiözese notwendig war. Darüber hinaus starteten schon frühzeitig die Vorbereitungen der anstehenden Pfarrgemeinderatswahlen am 20. März 2022.

Worum genau geht’s bei den Pfarrgemeinderatswahlen?

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Durch den Pfarrgemeinderat wird die Nähe zur Gemeinde ausgedrückt. Dort findet das Leben der Kirche statt. Der Pfarrgemeinderat ist in der Rätestruktur die einzig demokratisch gewählte Vertretung des Kirchenvolkes. Alle Räte auf höherer Ebene werden durch Delegierte besetzt. Die Wahlen der Pfarrgemeinderäte finden alle vier Jahre statt und legitimieren den Rat, die Gläubigen in einer Pfarrgemeinde zu repräsentieren. In allen Fragen, die die Pfarrgemeinde betreffen, wirkt er beratend, koordinierend oder beschließend mit. Zusammen mit dem hauptamtlichen Pastoralteam des Seelsorgebereichs trägt der Pfarrgemeinderat Verantwortung für den kirchlichen Auftrag in der Pfarrei und maßgeblich zum pastoralen Leben bei. Er ist sozusagen das Kreativfeld engagierter Christen, in dem viele gute Ideen von verschiedenen Gruppen bis hin zu Aktivitäten entstehen. Allerdings erschweren die innerkirchlichen und coronabedingten Entwicklungen sowohl die Suche nach geeigneten Kandidierenden als auch die Motivation der Katholikinnen und Katholiken, wählen zu gehen. Viele haben den Bezug zur Kirche verloren.

Grundsätzlich ist ein Ehrenamt – egal in welchem Bereich – auf vielfältige Weise ein absoluter persönlicher Mehrwert."

Juliana Sitzmann

Können Sie die Menschen verstehen, die sich von der Kirche entfernen?

Im Blick auf die aktuellen Themen, die über die Kirche laut werden, kann ich das nachvollziehen. Die Kirche müsste sicherlich an mancher Stelle mehr über ihren eigenen Tellerrand blicken und mehr darauf eingehen, was die Gläubigen bewegt und was sie brauchen. Der Synodale Weg ist hierbei bereits ein erster Schritt, bei dem sich deshalb auch der Diözesanrat einbringt. Aber in der heutigen schnelllebigen Zeit ist es einfach schwer vermittelbar, dass solche Prozesse lange dauern. Ich selbst hadere auch mit so mancher Entwicklung und nehme mich hinsichtlich der Ungeduld auf mögliche Veränderungen nicht aus. Einen Einfluss auf meinen Glauben hat das jedoch nicht. Seit meiner frühen Kindheit bis heute bietet die Kirche mir einen Ort gelebter Gemeinschaft im Glauben, der mir Halt gibt und den ich nicht missen möchte.

Wie haben Sie denn zum Glauben gefunden und warum engagieren Sie sich kirchlich?

Ausschlaggebend war meine Familie, die mich im katholischen Glauben großgezogen hat. Der Empfang der Erstkommunion war deshalb selbstverständlich. Vom ersten Moment an war ich begeistert von der Gemeinschaft, dem Pastoralteam und der Verbundenheit durch den Glauben. So nahm mein Weg in der Kirche seinen Lauf: Ich wurde Ministrantin und Gruppenleiterin, lief Jahr für Jahr als Sternsingerin durch die Straßen und fand als Dekanatsund Diözesanvorsitzende beim Bund der Deutschen katholischen Jugend (BDKJ) ein sehr erfüllendes Ehrenamt. Ich habe seit jeher mit so vielen tollen Menschen zusammenarbeiten dürfen, die sich in der Kirche engagieren. Wir haben gemeinsam etwas vorangebracht und bewegt. Mir war schnell klar, auch beruflich etwas in diese Richtung machen zu wollen.

Wird es Ihrer Meinung nach eine Veränderung der Rolle von Ehrenamtlichen innerhalb der Kirche geben?

Die Übernahme von mehr Verantwortung und ein größeres Mitspracherecht der ehrenamtlichen Gläubigen wird auf allen Ebenen wichtiger denn je werden. Im Erzbistum Bamberg ist bereits spürbar, dass sich die Zahl der Pfarrer und hauptamtlichen pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verringern und die zuständigen Gebiete der einzelnen Personen infolgedessen vergrößern werden. Diese Entwicklung nimmt die neue Satzung der Räte auf und bietet den Ehrenamtlichen mehr Mitsprache- und Gestaltungsmöglichkeiten. Doch für die Umsetzung braucht es weiterhin engagierte Christinnen und Christen.

Als junge Katholikin verkörpern Sie die Zukunft der Kirche in einer Zeit, in der die Zahl der Christen und auch der Seelsorgerinnen und Seelsorger zurückgeht. Welche Hoffnung haben Sie für die Zukunft der katholischen Kirche?

Offenheit und Bereitschaft in zwei Richtungen: sowohl für die Kirche, sich neuen Wegen zu öffnen, als auch für die Gläubigen, ihre Kirche mitzugestalten. Es ist unser gemeinsamer Glaube, der uns verbindet und im Vordergrund stehen sollte. Der Glaube ist etwas enorm Wichtiges, gibt Kraft und Gemeinschaft, etwas Beflügelndes. Das wünsche ich der Kirche, dass sie bei den Gläubigen wieder dieses Feuer entfachen kann.

Juliana Sitzmann

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wurde in Bamberg geboren und ist dort aufgewachsen. Von klein auf ist sie in der katholischen Kirche zu Hause, die Gemeinde St. Josef im Hain (Pfarrei St. Martin) ist ihre kirchliche Heimat. Dort war sie seit ihrer Erstkommunion in verschiedenen Funktionen aktiv. Im Bund der Deutschen katholischen Jugend (BDKJ) engagierte sie sich über drei Jahre als Dekanatsvorsitzende, ehe sie von 2011 bis 2013 ehrenamtliche Diözesanvorsitzende wurde. Sie studierte in Bamberg und Würzburg Pädagogik und Theologie. In ihrer fünfjährigen Tätigkeit beim Malteser Hilfsdienst e.V. als Diözesanreferentin für die Malteser Jugend und den Schulsanitätsdienst konnte sie erste Berufserfahrungen sammeln. Zuletzt war die 31-jährige Bambergerin in der Caritas-Jugendhilfe tätig und ist seit dem 1. Dezember 2020 die Geschäftsführerin des Diözesanrats der Katholiken und der Stiftung für das Ehrenamt im Erzbistum Bamberg. In ihrer Freizeit ist sie gerne in der Natur unterwegs oder auf vielseitige Weise künstlerisch kreativ.