Schicksal Flucht:"Jeden Menschen in seiner Würde achten"
Jeder Flüchtling hat ein Schicksal und eine Geschichte“
-Pfarrer Andreas Müller
Seit einem Jahr bin ich neben meiner Aufgabe als Pfarrvikar in Zirndorf und Oberasbach Seelsorger für Flüchtlinge und Migranten im Großraum Nürnberg. Mir ist es wichtig zu sagen: Es gibt nicht „die Flüchtlinge“. Wer von „Flüchtlingsströmen“ spricht, vergisst leicht, dass es Menschen sind, die alle ihr eigenes Schicksal, ihre eigene ganz persönliche Geschichte haben. Ich bin für sie ein Ansprechpartner und versuche, ihnen den Anfang hier zu erleichtern. Das ist nicht immer einfach, denn obwohl sie nach einer langen und gefährlichen Flucht eigentlich am Ziel angekommen sind, fühlen sie sich oft nicht willkommen. Die negative Stimmung gegenüber Flüchtlingen wirkt bei ihnen wie ein schleichendes Gift. Noch schlimmer ist die Situation, wenn ein Asylbewerber einen Ablehnungsbescheid erhält und dadurch in eine Perspektivlosigkeit verfällt, viele bekommen auch Depressionen. Ich bereite manchmal Flüchtlinge auf Gespräche bei Behörden vor und begleite sie auch. Ich bereite auch Muslime, die Christen werden wollen, auf die Taufe vor. Bisher durfte ich rund 40 Muslime taufen, etwa die Hälfte davon waren Iraner. Manche von ihnen bringen dann auch andere Muslime mit in die Kirche und erzählen von ihrem Glauben.Es ist sehr schön zu sehen, welche Früchte die Arbeit hier trägt.
In meiner früheren Tätigkeit war ich Pfarrer in St. Anton in Nürnberg, dies war schon immer eine Zuzugspfarrei: die Oberpfälzer und die katholischen Franken, die zum Arbeiten nach Nürnberg kamen, die Vertriebenen nach dem Krieg, dann die Gastarbeiter und Aussiedler und schließlich Menschen aus allen denkbaren Nationen. Als Kirche sind wir für alle Menschen da, egal welche Herkunft, Hautfarbe oder Religion sie haben. Wir müssen jeden Menschen ernst nehmen und in seiner Würde achten.
Ich habe erfahren, dass Gott mich akzeptiert“
-Alireza Khadadai Fard (33)
Es war Weihnachten 2013, als ich mich entschloss, alles aufzugeben und meine iranische Heimat zu verlassen. Meine Flucht dauerte anderthalb Jahre und führte mit Auto, Pferden und zu Fuß durch den Irak und die Türkei, wo wir mit sieben Freunden ein Boot kauften, um von Bodrum zur griechischen Insel Kos zu fahren. Der Motor ging kaputt, und wir mussten sechs Stunden lang rudern. Ich besaß nur ein T-Shirt und eine Hose. Mit einem Schiff ging es weiter bis Athen. Mit einer Gruppe von 50 Menschen in einem geschlossenen Transporter fuhren wir über Mazedonien und Serbien, also die Balkanroute, weiter nach Österreich, wo wir im August 2015 zu Fuß die Grenze nach Deutschland erreichten.
Ich war in verschiedenen Unterkünften in Bayern, jetzt lebe ich in Ansbach in einer Flüchtlingseinrichtung mit Iranern, Kurden und Afrikanern. Die Leute dort nennen mich „Doc“, denn ich bin ausgebildeter Arzt. Man hat dort abends viel Zeit, miteinander zu reden und zu diskutieren. Wir sprachen auch über Gott. Ich komme aus einer streng muslimischen Familie, ich selbst war aber nie ein sehr frommer Muslim. Ich war zwar immer überzeugt, dass es Gott gibt. Aber ich glaubte, dass er mich hasste. Ich fragte mich: „Was tut Gott für mich? Welche Rolle spielt er in meinem Leben, wenn er allmächtig ist und mir nicht hilft?“ Ich hatte das Gefühl, an eine Tür zu klopfen, ohne dass jemand öffnet. Ein Freund, der Christ geworden war, sagte dann zu mir: „Vielleicht hast du an die falsche Tür geklopft.“ Er nahm mich mit in die Kirche, ich lernte dort Pfarrer Hans Kern kennen, der mir vom Christentum erzählt hat. Ich habe erfahren, dass Gott mich so akzeptiert, wie ich bin.
Mit all meinen Fehlern. Und er vergibt mir. Dieser Blick hat mein Leben verändert. Gott ist mir wichtig, denn ich weiß, dass ich ihm wichtig bin. Leider habe ich auch muslimische Freunde verloren, die nicht mehr mit mir sprechen. Jetzt bin ich ein getaufter Christ. Und ich möchte der Kirche etwas zurückgeben: Wenn am Sonntag in St. Ludwig in Ansbach kein Mesner da ist, übernehme ich den Dienst. Im Winter räume ich Schnee, und bei der Fronleichnamsprozession war ich einer der Himmelsträger. Ich habe auch schon zwei muslimische Freunde mit in die Kirche gebracht.
Derzeit warte ich auf den endgültigen Entscheid über meinen Asylantrag. Ich hoffe, dass das Gefühl, immer nur ein Gast zu sein, mal zu Ende ist. Ich würde gerne arbeiten, gerne auch als Altenpflegehelfer, dafür brauche ich als erfahrener Arzt keine zusätzliche Ausbildung. Mein größter Traum ist es, in Deutschland als Assistenzarzt an einer Klinik zu arbeiten, am liebsten als Radiologe oder Neurochirurg. Die Kirche hat mir sehr geholfen, ich bin ihr dankbar.
Es kann nicht jeder bleiben“
-(Erzbischof Ludwig Schick)
Als Weltkirche-Bischof der Deutschen Bischofskonferenz bin ich viel in den Ländern unterwegs, aus denen Menschen zu uns fliehen. Es muss unser oberstes Ziel sein, die Fluchtursachen zu bekämpfen und Geflohenen eine sichere Rückkehr in ihre Heimat zu ermöglichen, wozu auch die Schaffung von Zukunftsperspektiven gehört. Ich habe bei meiner letzten Reise in den Irak zugesagt, dass das Erzbistum Bamberg den Wiederaufbau eines von Islamisten zerstören Kindergartens finanziert, dafür stellen wir 200.000 bis 300.000 Euro bereit. Dabei arbeiten wir mit den katholischen Hilfswerken Caritas, Misereor, Missio und dem Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ sowie dem Erzbistum Köln zusammen, die sich ebenfalls für den Wiederaufbau des Irak einsetzen. Gemeinsam sollen 180 Häuser, vier Schulen und der genannte Kindergarten wieder aufgebaut werden. Mehrere hundert Menschen erhalten psychosoziale Unterstützung, um ihre Traumata nach der Vertreibung durch die IS-Terrormiliz zu überwinden. Insgesamt bringen wir gemeinsam dafür 1,7 Millionen Euro auf. Über meine Stiftung „Brot für alle Menschen“ habe ich im letzten Jahr 140.000 Euro für landwirtschaftliche Projekte in mehreren Ländern Afrikas zur Verfügung gestellt. Dadurch bekommen vor allem arbeitslose Jugendliche eine Beschäftigung sowie eine Perspektive für ihr Leben und können sich und andere ernähren. Auch dies trägt zur Minimierung von Fluchtursachen bei.
Es muss klar sein, dass nicht alle Flüchtlinge, die nach Europa kommen, bleiben können. Über Bleiberecht und Abschiebung müssen Recht und Gesetz entscheiden. Wer nicht bleiben kann, soll auf humane Weise zurückgebracht werden. Mit allen Flüchtlingen, egal ob sie bleiben können oder nicht, müssen wir mit Barmherzigkeit und Nächstenliebe umgehen. Die Menschenrechte und die Genfer Flüchtlingskonvention gelten überall und für alle Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe und Religion.
Das Angebot der Caritas
Im Erzbistum Bamberg sind 12 der 14 Stadt- und Kreis-Caritasverbände in der Flüchtlingsberatung aktiv. Die Beraterinnen und Berater organisieren individuelle Hilfen und begleiten die Flüchtlinge im Asylverfahren. Die Beratung erfolgt zum Teil in den Unterkünften. Aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen wurde die Arbeit stark ausgebaut. Eine weitere Aufgabe ist die Begleitung der Ehrenamtlichen. Die Caritas Neustadt/Aisch-Bad Windsheim z.B. hat über ihr Freiwilligenzentrum das bundesweit beachtete Netzwerk „über Zaun und Grenze“ zur Unterstützung von Flüchtlingsinitiativen geknüpft. Groß ist auch das Engagement für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Seit 2014 wurden die Plätze für junge Geflüchtete in den Wohngruppen katholischer Jugendhilfe-einrichtungen auf über 300 verzehnfacht; derzeit geht die Zahl wieder zurück. Darüber hinaus benötigen Flüchtlinge Unterstützung von vielen weiteren Diensten der Caritas: Beratungsstellen, Kindertagesstätten, Kleiderkammern, Lebensmittelausgaben. In der Schwangerschaftsberatung sind bis zu 10 Prozent der Klientinnen Asylbewerberinnen.
Beratungsstellen finden Sie unter www.caritas-bamberg.de