Pees, Werner: Zur Bamberger Dommusik
Was ist Ihre Erfahrung als Kirchenchor-Leiter: Interessieren sich die Jugendlichen nur noch für Musik auf Spotify und Youtube oder machen sie auch selber welche?
Wir machen uns schon Sorgen darum, genügend Nachwuchs zu haben. Das liegt nicht nur an den Medien, sondern auch an der Natur der Dinge: Der größte Feind des Knabenchors ist der Stimmbruch. Wenn die Sänger gut zwölf Jahre alt sind, hat sich die Stimme meist so verändert, dass sie aufhören müssen. Dann macht uns die zunehmende Kirchenferne vieler Familien das Leben schwer: Der Besuch des Sonntagsgottesdienstes ist längst nicht mehr selbstverständlich, so dass sich viele Familien durch die Chorverpflichtung in ihrem Freizeitverhalten eingeschränkt fühlen. Und dann haben die Kinder seit der Einführung des G8-Gymnasiums schlicht kaum mehr Zeit fürs Singen – dabei wäre es ein perfekter Ausgleich für die anstrengende Zeit in der Schule, viel mehr, als sich seinem Smartphone zu überlassen.
Glauben Sie nicht, dass eine Chormitgliedschaft Zusatz-Stress für geplagte Schüler bedeuten würde?
Wirklich nicht – nein. Es ist ja nicht anstrengend. Es ist eine leichte Aufgabe, vielleicht vergleichbar mit dem Muschelsuchen oder dem Pilzsammeln: Man fokussiert sich ganz auf diese Sache, aber entspannt dabei, weil es Spaß macht und alles andere vergessen lässt – die Schule, Sorgen, den Alltag. Und ganz nebenbei schult es die soziale Kompetenz, denn beim Singen achte ich auf den Nebenmann. Bin ich zu laut, zu leise, zu schnell, zu langsam? Durch dieses sensible Aufeinandereinstellen beim Singen entwickelt sich ein immenses Zusammengehörigkeitsgefühl. Das wird noch verstärkt durch unsere regelmäßigen Chorfahrten zu attraktiven Zielen in ganz Europa.
Klingt das nach einer Anti-Stress-Therapie?
Das ist es. Ich garantiere: Nach einer Stunde gemeinsamen Singens sind die Chormitglieder ausgeglichen und gut gelaunt und haben neue Energie für den Rest des Tages getankt.