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Es war einmal...:Schneewittchen lebte in Bamberg

Und ihr Grabstein ist im Diözesanmuseum zu sehen
Datum:
Veröffentlicht: 1.12.19
Von:
Harry Luck
Schneewittchen Grabstein  Jung

Es war einmal mitten im Winter und die Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel herab. So beginnt das Märchen von Schneewittchen und den sieben Zwergen, das jedes Kind kennt. Wenn nicht aus dem Märchenbuch, dann aus den Disney-Klassikern oder den Kinofilmen mit Otto. Dass es jedoch eine historische Person gab, die das Vorbild für die Märchenfigur gewesen sein soll, ist kaum bekannt. Und was noch weniger wissen: Sie lebte und starb in Bamberg. „Schneewittchens“ Grabstein ist jetzt im Diözesanmuseum Bamberg zu sehen.

Bei der Figur, die als das echte „Schneewittchen“ gilt, handelt es sich um Maria Sophia von Erthal, die am 16. Juli 1725 in Lohr am Main geboren wurde und an ihrem 71. Geburtstag 1796 in Bamberg im Institut der Englischen Fräulein starb. Beerdigt wurde sie allerdings nicht in einem Glassarg, sondern auf dem Friedhof der alten Martinskirche, die an der Stelle des heutigen Maxplatz in der Bamberger Innenstadt stand. Nach dem Abriss der Kirche infolge der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Grabplatte in die Kapelle des damaligen Allgemeinen Krankenhauses am Regnitzufer gebracht. Als in den 1980er Jahren ein neues Klinikum gebaut und aus dem alten Krankenhaus ein Hotel wurde, verlor sich die Spur des Steins, der bis vor kurzem als verschollen galt. Erst vor wenigen Monaten tauchte die Grabplatte bei der Räumung eines Bamberger Hauses in einem Gartenschuppen wieder auf. Die Besitzer erkannten die Bedeutung des Fundes und übergaben ihn dem Diözesanmuseum. Behutsam restauriert ist er jetzt im Museum am Domplatz ausgestellt.

Grabstein Schneewittchen

Auch ohne Märchen würden wir den Grabstein im Museum zeigen – der Schneewittchen-Bezug ist für uns eher ein Gag.

Schneewittchen Grabstein

Wie kam es aber überhaupt dazu, dass Maria Sophia von Erthal als „Schneewittchen“ gilt? 1986 entdeckte der Lohrer Apotheker und Historiker Karlheinz Bartels Parallelen im Märchen und der Stadtgeschichte. Da wäre zum einen die Familienkonstellation: „So nahm sich der König eine andere Gemahlin, aber sie war stolz und übermütig und konnte Schneewittchen nicht leiden“, heißt es im Märchen. Sophias Vater heiratete nach dem frühen Tod seiner ersten Gemahlin ein zweites Mal. Seine neue Gattin soll herrschsüchtig gewesen sein und ihre Stellung zum Wohl ihrer Kinder aus erster Ehe ausgenutzt haben. In Lohr wurden früher Gläser und Spiegel hergestellt, die in der ganzen Welt bekannt waren. Sophias Vater hatte eine große Spiegelfabrik, und im Spessartmuseum ist heute noch ein Spiegel ausgestellt mit der Inschrift „Amour Propre“, was „Selbstliebe“ bedeutet. War dies das „Spieglein an der Wand“, das die Frage nach der Schönsten im ganzen Land beantwortete? Und was ist mit den sieben Zwergen? In einem angrenzenden Bezirk an das damalige Herrschaftsgebiet um Lohr gab es Bergwerke, wo Kinder oder bucklige Kleinwüchsige in die Stollen hinabsteigen mussten. Um zu diesen Bergwerken zu kommen, müssen nach Angaben der Stadt Lohr tatsächlich sieben Hügel überquert werden. Schneewittchens möglicher Fluchtweg ist heute ein „Schneewittchenwanderweg“. Und kann es ein Zufall sein, dass die Brüder Grimm in Hanau nur fünfzig Kilometer entfernt lebten und sechzig Jahre nach Sophia geboren wurden? Sie können also durchaus von ihr gehört haben, als sie das Märchen aufschrieben. Wenn also die Stadt Lohr (Slogan: „... einfach märchenhaft“) aufgrund dieser Faktenlage offizielle Autobahnschilder mit der Aufschrift „Schneewittchen-Stadt“ aufstellen lässt, dann darf das Bamberger Diözesanmuseum sein neues Ausstellungsstück auch „Schneewittchen-Grabstein“ nennen. „Der Schneewittchen-Bezug ist für uns eher ein Gag“, sagt Museumsleiter Holger Kempkens. „Auch ohne das Märchen würden wir den Stein im Museum zeigen, denn Sophia von Erthal war die Schwester der bekannten Erthal-Brüder: Franz Ludwig, nach dem die Bamberger Franz-Ludwig-Straße und das Gymnasium benannt sind, war Fürstbischof von Bamberg und Würzburg und gründete in Bamberg das Allgemeine Krankenhaus. Sein Bruder Friedrich Karl Joseph war Kurfürst und Erzbischof von Mainz sowie Fürstbischof von Worms.“ Dass eine Frau in der damaligen von Männern dominierten Welt ein eigenes Grabdenkmal bekam, war nicht selbstverständlich. Sie ist der Erinnerung wert. Hinweise auf eine Bestattung im Glassarg finden sich übrigens nicht. Dafür aber der handfeste Beweis, dass Sophia von Erthal in einem ganz normalen Sarg aus Holz bestattet wurde. Neben ihrem Testament, in dem sie das Krankenhaus und die Englischen Fräulein als Haupterben einsetzt, findet sich nämlich im Bamberger Diözesanarchiv die Rechnung für einen Eichensarg. Er kostete 14 Taler.

Wie der Grabstein zu den anderen Exponaten im Diözesanmuseum passt, erklärt der Leiter der Hauptabteilung Kunst und Kultur, Norbert Jung, hier

Schneewittchen Grabstein

Die Inschrift

Die Inschrift der Grabplatte „Geweiht der Asche der Reichs Frey hochwohlgebohrnen Fräulein Maria Sophia Margaretha Catharina Freyin von Erthal. Sie ward geboren MDCCXXV [1725] den 16. Juli ein guter Sprössling erhabener Ahnen, in der Folge zweyer Fürsten Schwester. Sie lebte im Kampf des Glücks mit dem Leiden, die geprüfte Freundinn der Tugend. Sie starb selbst durch den Kampf gestärkt MDCCXCVI [1796] am Tage ihrer Geburt. Die edle Heldinn des Christenthums: hier ruhet sie nach dem Siege des Glaubens reif zur verklärten Auferstehung.“

Das Leben von Maria Sophia von Erthal (1725 – 1796)

Fassade Englische Fräulein

Geboren wurde sie 1725 in Lohr am Main als Tochter von Philipp Christoph von Erthal und Maria Eva von Bettendorf. Schon in früher Jugend verlor sie durch eine Krankheit das Augenlicht. Nach dem Tod der Mutter zog sie mit dem Vater von Lohr nach Mainz, wo sie wegen ihrer Liebenswürdigkeit und Güte höchste Verehrung des Adels genoss, sie galt als höchst mildtätig und großzügig. Seit ihrem 21. Lebensjahr lebte sie im Institut der Englischen Fräulein in Bamberg am Holzmarkt 3. Im noch heute existierenden Institut der Congregatio Jesu gibt es eine Kammer, in der sie geschlafen, und einen Bücherschrank, der ihr mündlicher Überlieferung zufolge gehört haben soll. Sie starb im Alter von 71 Jahren „tief betrauert und als ein Engel der Barmherzigkeit und Güte gepriesen, den der Himmel wieder zurückgenommen“, wie es in einer Biografie heißt.