Wegbegleiter:Seelsorge auf Augenhöhe
Kirche wirkt nicht allein durch ihre Priester. Das galt schon, bevor Papst Franziskus alle Getauften an ihren missionarischen Auftrag erinnert hat. Kirche wirkt auch durch Mitarbeiterinnen wie Lena Neidlein, 30 Jahre, Gemeindereferentin in Nürnberg. Die junge Frau mit dem schulterlangen dunkelblonden Haar und ansteckenden Lächeln wirkt zufrieden. „Ich habe den facettenreichsten Beruf der Welt“, sagt sie. Zwischen Jugendfreizeit und Seniorentreff, Kindergottesdienst und Trauerfeier hat Lena Neidlein als Seelsorgerin ihre Bestimmung gefunden – obwohl sie sich manchmal mit Nachdruck behaupten muss. Neben ihr sitzt Jürgen Kaufmann im grauen Wollsakko mit passender Weste, schmaler Brille und einer feinen Denkerfalte zwischen den Augenbrauen. Über seinen Beruf als Pastoralreferent sagt er mit einer Spur schwäbischem Dialekt: „Ich mache etwas zweckfreies Sinnvolles.“ Er produziere nichts, könne dafür auf etwas Größeres verweisen, das hinter allem steht und die Dinge zu ihrer Bestimmung führt. Seine Arbeit ist aber auch sehr praktisch: Als Pastoralreferent organisiert er ein umfangreiches Angebot an spirituellen und kulturellen Veranstaltungen, die er oft selbst durchführt. Darunter neue, zielgruppenorientierte Gottesdienste, vor allem in der Trauerseelsorge. Wesentlich sei für ihn immer, „dass ich Wegbegleiter sein kann für Menschen, die im Alltag aufgerieben werden und Fragen haben, die sie woanders nicht beantwortet bekommen.“
Auch den Hoffnungslosen eine Perspektive aufzeigen zu können, die über diese Welt hinausgeht, das mache seinen Beruf aus. Lena Neidlein nickt. Gemeindereferentin. Wer sich in kirchlichen Kreisen nicht auskennt, kann mit dem Begriff wenig anfangen. „Oft werde ich für eine Angestellte der Kommune gehalten“, sagt Neidlein. Dabei ist die 30-jährige Nürnbergerin eine Mitarbeiterin des Pfarrteams im Seelsorgebereich Nürnberg West, insbesondere für die Gemeinden St. Anton, St. Michael und St. Ulrich. Ihre Schwerpunkte bilden die Kinder- und Jugendarbeit sowie Wort-Gottes-Feiern und die Arbeit im Beerdigungsdienst. Bei Letzterem entstehen manchmal Irritationen. „Es kommt vor, dass ich im Vorgespräch für eine Sekretärin gehalten und gefragt werde, wann denn der Pfarrer kommt.“ Später, im Verlauf der Trauergespräche entstehe dann aber oft große Nähe und Wertschätzung für ihre Herangehensweise an die Seelsorge.
Je größer die Seelsorgebereiche sind, desto mehr suchen die Menschen spirituelle Zentren."
-Jürgen Kaufmann, City-Seelsorger
„Wenn die Menschen sich öffnen und erkennen, dass Frauen in der Kirche mehr tun, als im Hintergrund zu agieren und zu assistieren, dann kann eine Art des Austauschs entstehen, der mit Pfarrern so vielleicht nicht möglich ist“, sagt Lena Neidlein. Diese weibliche Note könne ein „Eisbrecher“ sein für alle, die von Kirche distanziert sind. Wer auf die Hierarchien in der katholischen Kirche blickt, schaut auf eine Sonderstellung geweihter Männer. Die Leitung einer Pfarrei und so manches hohe Amt in den Bistümern sind Priestern vorbehalten. Das schließt Frauen aus. Lena Neidlein schätzt ihre Position dennoch. „Das geweihte Leben hält nicht nur Privilegien bereit. Es ist – auch über den Zölibat hinaus – mit einem Gehorsam und Verpflichtungen verbunden, die ich für mein Leben nicht wollen würde.“ Mal eine Taufe oder Hochzeit leiten zu dürfen, das könne sie sich vorstellen. „Aber einer Eucharistie würde ich nicht vorstehen wollen. Das würde zu mir nicht passen.“
Auch Pastoralreferent Jürgen Kaufmann gefällt es, wie es ist. „Ich habe meinen Status als Laientheologe und Arbeiter zwischen den Welten immer geschätzt“, sagt er. Kaufmann ist Cityseelsorger in Nürnberg und hat als solcher seltener mit frommen Katholiken zu tun. Sein Kontaktradius ist weit, und Laienseelsorger zu sein, hat dabei Vorteile. „Ich begegne den Menschen mehr auf Augenhöhe, als das ein Priester kann. In der Seelsorge ergänzen wir uns“, sagt Kaufmann, der mit Jesuitenpater Ansgar Wiedenhaus im Bereich der offenen Innenstadtkirche St. Klara arbeitet. Probleme mit seinem Status hatte er nie. Und nun, in Zeiten des Priestermangels, könnte die Wertschätzung für Gemeinde- und Pastoralreferenten deutlich wachsen, wenn es innerkirchlich zugelassen werde. Auch dem diözesanen Strukturprozess – hin zu großen Seelsorgebereichen – kann er neben organisatorischen Beschwernissen etwas Positives abgewinnen. „Je größer die Bereiche sind, desto mehr suchen die Menschen spirituelle Zentren. Wir können mit der Cityseelsorge so ein Zentrum sein, von dem aus die Menschen dann wiederum zurück zu ihren Gemeinden finden können“, glaubt Kaufmann.
Wie seine Kollegin Lena Neidlein misst er der Trauerseelsorge einen hohen Stellenwert bei. Für viele sei das Trostgespräch der erste Kontakt mit Kirche seit vielen Jahren. „Trauerarbeit ist kein Missionsfeld. Aber wenn jemand durch gute Trauerseelsorge wieder einen Bezug zur Kirche bekommt, dann weisen wir das nicht zurück“, sagt Kaufmann. Er selbst hat über einen Todesfall in seinen heutigen Beruf gefunden. Mitte der 1980er Jahre war der heute 57-Jährige noch Journalist. Nach dem Abschluss seiner Ausbildung arbeitete er als Zeitungsredakteur in seiner schwäbischen Herkunftsregion. Dann starb sein Vater plötzlich. „Das war ein harter Schlag“, erinnert er sich. „Aber die Art, wie unser damaliger Gemeindepfarrer das Trauergespräch und die Beerdigung abgehalten hat, zeigte mir, was gute Seelsorge leisten kann. Das wollte ich dann auch machen“, erinnert sich Kaufmann. Jahre später haben ein Schicksalsschlag und der seelsorgerische Umgang damit Kaufmann zu seiner Bestimmung geführt.