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Tatort, Tod & Schokolade:Tatort Domberg

Eli Wasserscheid
Die Schauspielerin Eli Wasserscheid erzählt im Interview über ihre ersten Glaubenserfahrungen in ihrer Heimat Bamberg, ob man als „Tatort“-Kommissarin anders über das Sterben denkt und was Krimi schauen mit Schokolade zu tun hat.
Datum:
Veröffentlicht: 1.12.18
Von:
Harry Luck

Der Name Eli klingt erstmal sehr biblisch. Es gibt den Priester Eli im Alten Testament, oder als Kurzform von Elija …

… aber er ist einfach nur die Abkürzung von Elisabeth. Dieser Spitzname ist schon im Kindergarten entstanden und wurde irgendwann so dominant, dass mich keiner mehr als Elisabeth kannte. Weil ich nicht mit zwei Namen leben, sondern „meine Kraft bündeln“ wollte, habe ich dann entschieden, mich auch als Schauspielerin Eli zu nennen.

Wir sitzen hier im Rosengarten neben dem Domplatz. Welche Erinnerungen verbinden Sie als Bambergerin mit dem Domberg?

Mir fällt sofort das Heinrichsfest ein, das ich als Kind immer sehr geliebt habe. Das katholische Mädchen in mir, das hier aufgewachsen ist und den Glauben aktiv erlebt hat, erinnert sich auch an die Fronleichnamsprozession, all die vielen Menschen und die rausgeputzte Stadt mit den weiß-gelben Fahnen. Zwei meiner Schwestern haben in der Mädchenkantorei gesungen. Und ich habe die Kirchenmusik in den festlichen Gottesdiensten immer sehr gemocht und tue es noch. Dann der Dom als Bauwerk: Er hat so etwas Edles und Schlichtes, fast Filigranes. Dieses ganze Ensemble am Domberg ist einfach unglaublich beeindruckend. Ich erinnere mich, dass wir an manchen Abenden gegenüber vom Dom mit unseren Eltern und einer Weinflasche auf den Stufen gesessen haben, die Wärme des Tages unterm Hintern hatten und einfach den Platz genossen haben.

Ihr Vater war Religionslehrer am Clavius-Gymnasium, Ihre Mutter im Diözesanfamilienrat und im Pfarrgemeinderat St. Martin engagiert. Hat das kirchliche Leben die Familie geprägt?

Ja, schon. Der Gottesdienst gehörte selbstverständlich dazu, und ich habe das als Kind auch nie in Frage gestellt. In St. Martin waren wir in einem Familienkreis mit sieben Familien und dementsprechend vielen Kindern, den es bis heute gibt und der vor kurzem 40. Jubiläum gefeiert hat. Nach dem Gottesdienst gab es immer Eis – was für ein Kind nicht unbedeutend ist. Man war einfach eingebunden und hatte das Gefühl, man trifft hier Freunde. Später in der Oberen Pfarre habe ich sehr beeindruckende, emotionale und kraftvolle Gottesdienste erlebt, dank dem damaligen Priester Pater Titus. Ich erinnere mich noch genau, wie die Ministranten bei „Großer Gott, wir loben dich“ durchgeklingelt haben oder wie in der Christmette die Lichter ausgingen und nur noch die Weihnachtsbäume leuchteten. Das waren einfach große Momente.

Was haben Sie von dem, was Sie in der Kindheit im Glauben erlebt haben, ins Erwachsenenleben mitgenommen?

Ich habe zu Hause einen Glauben mitbekommen, in dem es immer um einen liebenden Gott ging, wo die Texte der Bibel ausgelegt und nicht wortwörtlich verstanden wurden. Es ging um die Liebe als Kernantwort des Glaubens. Die innere Verbundenheit zum Glauben ist immer noch da und prägt mich auch. Aber ich bin heute mehr mit dem Glauben verbunden als mit der Kirche. Ich finde es gut, wie sich die Kirche zum Beispiel zur Flüchtlingsfrage positioniert oder wie Kardinal Marx auf die Kruzifixe in bayerischen Amtsstuben reagiert hat. Aber es gibt auch Punkte, wo ich sehr irritiert und befremdet bin. Ich merke, dass ich mir die Gottesdienste und die Priester, zu denen ich gehe, bewusst aussuche. In Bamberg ist das Hans Lyer, den ich für seine Authentizität schätze, und in München, wo ich wohne, Pfarrer Rainer Maria Schießler.
 

Tatort

Als Schauspielerin lerne ich andere Denksysteme, Glaubenssätze und Logikketten kennen. Das erweitert meinen Blick auf das Leben generell.“

Eli Wasserscheid

Als TV-Kommissarin haben Sie viel mit Mord und Leichen zu tun. Verändert das die Einstellung zu Tod und Sterben?

Der Tatort ist nur ein Teil meines Schauspielerlebens, wir drehen einen Franken-Tatort im Jahr. Und neben der Arbeit vor der Kamera spiele ich auch viel Theater: Als Schauspielerin ist es meine Aufgabe, mich so in das Denken und Fühlen einer Rolle hineinzuversetzen, dass ich die Gründe für ihr Handeln verstehe, auch wenn sie etwas augenscheinlich „Böses“ tut. In ihrer Wahrnehmung glaubt die Figur ja, „richtig“ zu handeln. Diese anderen Denksysteme, Glaubenssätze und Logikketten kennenzulernen, erweitert meinen Blick auf das Leben generell. Darüber hinaus gibt es auch immer wieder den Moment, wo man sich von einer Rolle, mit der man länger unterwegs ist, in einer letzten Vorstellung bzw. nach einer „letzten Klappe“ verabschieden muss. Das kann schmerzhaft sein, manchmal wie das Weggehen eines guten Freundes. Ich glaube, dadurch habe ich im Laufe der Zeit gelernt, dass Dinge kommen und gehen und dass Loslassen dazugehört.

Mord gilt als die „himmelschreiende Sünde“ schlechthin. Wie erklären Sie sich, dass das schlimmste Verbrechen im Krimi so salonfähig geworden ist?

Eine Kriminalgeschichte, die die großen Themen von Mord und Totschlag behandelt, erzählt von den ganzen Verwirrungen und Verstrickungen, die im menschlichen Umgang möglich sind. Es werden Türen geöffnet, in die Bereiche des menschlichen miteinanders, die uns in der Realität verschlossen bleiben. Die Fiktion kann uns etwas beschreiben und dadurch erfahrbar machen, was wir sonst nicht oder übersehen. Hinzu kommt natürlich derNervenkitzel, die Spannung, die „Spaß“ macht – und beim „Tatort“ das sehr reizvolle Konzept, in allen Regionen Deutschlands zu ermitteln, das sonntägliche Wiedersehen mit den vertrauten Kommissaren, die man scheinbar gut kennt. Das ist ein bisschen wie ein Stück gute Schokolade essen, die man gerne mag und die um 20.15 Uhr auf einen wartet. Wie lange das noch gehen wird, dass es bei den Zuschauern fast eine Sucht nach Krimis gibt, werden wir sehen.

„Im traditionellen Krimi führt der Kommissar das aus, was Gott heute nicht mehr zu tun scheint, er bestraft die Bösen und verhilft den Guten zu ihrem Recht“, schreibt die Medienwissenschaftlerin und Theologin Elisabeth Hurth und sprich von der „Sehnsucht nach einer vom Kommissar herbeigeführten Rückkehr zu einer geordneten und sinnerfüllten Welt, die durch die böse Tat erschüttert wird“.

Ja, ich glaube, das steckt ganz tief in uns Menschen drin. Seit Kindertagen kennen wir doch die Sehnsucht danach, dass im Märchen das Gute siegt. Dabei finde ich aber auch Geschichten sehr reizvoll, bei denen unser Wunschdenken unerfüllt oder der Ausgang offen bleibt. Das entspricht mitunter mehr der Realität und der Erfahrung, die wir im wirklichen Leben machen.

Können Sie sich vorstellen, dass ein Franken-Tatort auch mal am Domberg spielt?

Unbedingt! Die Kulisse lädt ja gerade dazu ein. Genug Geschichten gäbe es auch.