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Wie Jugendliche Jugendlichen helfen:U25-Helpmail

Hilfe auf Augenhöhe
Lebenskrisen und psychische Probleme sind in unserer Gesellschaft stigmatisiert. Insbesondere jungen Menschen fehlt in solchen Situationen oftmals die Kraft oder die Möglichkeit, sich jemandem aus ihrem Umfeld anzuvertrauen. Suizid kann dann als einziger Ausweg aus einer verzweifelten Lage erscheinen. Dem wirkt das Online-Suizidpräventionsprogramm [U25] des Caritasverbands Nürnberg e.V. entgegen. Es ermöglicht Jugendlichen, ihre Sorgen mit engagierten Gleichaltrigen zu teilen – auf Augenhöhe, vertraulich und kostenlos.
Datum:
Veröffentlicht: 4.7.23
Von:
Sarah Kolling

Es ist früher Nachmittag. Vor 15 Minuten saß Rebekka* noch im Hörsaal, jetzt fährt sie den Computer hoch und checkt ihr E-Mail-Postfach. Eine kleine rote „1“ poppt auf und symbolisiert eine neue Nachricht. Sie kommt von einem ihr unbekannten Account: „Ich kann einfach nicht mehr. Niemand würde mich vermissen, und sind wir mal ehrlich, es würde doch niemandem auffallen, wenn ich nicht mehr hier wäre. Ich will nicht mehr leben.“ So oder so ähnlich lauten die meisten Mails, die Rebekka zugesendet bekommt. Sie ist sogenannte „Peerberatende“ beim Online-Suizidpräventionsprogramm [U25] des Caritasverbands Nürnberg e.V. Das Besondere an dem Angebot: Junge Menschen unter 25, die darüber nachdenken, sich das Leben zu nehmen, können sich vertraulich und kostenlos unter www.u25-nuernberg.de anmelden und bekommen einen „Peer“ zugewiesen, der auf ihre Probleme eingeht. Das englische Wort „Peer“ bedeutet in diesem Fall ein Gegenüber in ähnlichem Alter. „Jungen Menschen in Not fällt es häufig leichter, sich Gleichaltrigen gegenüber zu öffnen, die sich in einem ähnlichen Lebensraum bewegen wie sie“, so Jennifer Catsam. Als Teamleiterin von [U25] Nürnberg gehört es zu ihren Aufgaben, die eingegangenen Hilfegesuche an verfügbare Peers zu verteilen und als Ansprechperson zur Verfügung zu stehen. Außerdem werden die E-Mails von den hauptamtlichen Teamleitungen gegengelesen – so liegt die Verantwortung nicht allein bei den Peerberatenden, sondern verteilt sich auf mehrere Schultern.

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Unser Ziel ist es nicht, alle Hilfesuchenden sofort an weitere Stellen zu vermitteln, sondern sie erst einmal ernst zu nehmen und gemeinsam mit ihnen ihre eigenen Ressourcen anzuschauen, sie zu stärken und letztlich einfach für sie da zu sein.“

Jennifer Catsam

Die Themen, mit welchen die Ratsuchenden sich an [U25] wenden, reichen von psychischer Belastung, Mobbing, Familien- und Beziehungsproblemen bis hin zu Gewalterfahrungen. Das äußert sich dann häufig in Suizidgedanken und Fragen nach der eigenen Identität, dem eigenen Wert. Um mit diesen Anliegen gut umgehen zu können, durchlaufen die Peerberatenden eine professionelle, halbjährige Ausbildung für ihr Ehrenamt. Neben verschiedenen psychischen Krankheitsbildern geht es dabei auch um die Textführung in der E-Mail-Kommunikation, die Rolle der Peers im Gesprächsverlauf, den Einbezug persönlicher Stärken und nicht zuletzt die eigene Seelenhygiene.

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Lea (Namen von der Redaktion geändert ), ebenfalls Peerberatende, sieht ihre Aufgabe vor allem darin, für Ratsuchende da zu sein und ein „offenes Ohr“ zu bieten. Ihr ist es außerdem wichtig, dass es keine Tabuthemen gibt. Hilfesuchende sollen alles schreiben können, was sie bewegt. Besonders eindrucksvoll ist es für Lea, wenn sich ein ihr anfangs fremder Mensch langsam öffnet: „Ich glaube eine besondere Situation war es, als mir mal jemand gesagt hat, dass ich die Erste bin, der sie das erzählt. Das hatte ich nicht erwartet.“ Rebekka hat ähnliche Erfahrungen gemacht und ergänzt, dass sie der hilfesuchenden Person neben dem Zuhören auch einen Perspektivwechsel anbietet. Sie fragt dann beispielsweise nach Interessen, Aktivitäten oder Menschen, die den Alltag des Gegenübers lebenswert machen.

Durch die Vertraulichkeit des Beratungsangebotes sei von Anfang an klar, dass nicht aktiv in das Leben der ratsuchenden Person eingegriffen werden kann – dass also nicht etwa Eltern oder die Schule kontaktiert werden können. „Unser Ziel ist es nicht, alle Hilfesuchenden sofort an weitere Stellen zu vermitteln, sondern sie erst einmal ernst zu nehmen und gemeinsam mit ihnen ihre eigenen Ressourcen anzuschauen, sie zu stärken und letztlich einfach für sie da zu sein“, sagt Catsam. Sie trifft sich alle zwei Wochen mit den Peerberatenden, um sich mit ihnen auszutauschen und sie zu unterstützen.

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Im Jahr 2022 haben 32 Peers von [U25] Nürnberg insgesamt 122 junge Menschen per E-Mail beraten. Seit Beginn des Programmes in der fränkischen Metropolregion 2016 waren es sogar 518. Die Länge und Häufigkeit des Kontaktes bestimmen die Ratsuchenden dabei selbst. Etwa ein Drittel meldet sich nur ein einziges Mal. Dies geschehe vor allem in der Nacht, da Probleme dann überwältigender scheinen und das Schreiben einer E-Mail als entlastend empfunden wird, erläutert Jennifer Catsam. Ein weiteres Drittel der Hilfesuchenden wird über mehrere Monate betreut und das letzte Drittel sogar über mehrere Jahre. Wie lange sie ihren anonymen Kontakt von heute Nachmittag begleiten wird, das weiß Rebekka noch nicht. Sie fängt an, in die Tasten zu tippen und zu antworten. Aus ihren Zeilen wird ersichtlich, dass es sich beim Leitspruch von [U25] um mehr handelt als nur um eine leere Floskel. Es ist ein ehrliches Versprechen, welches viele der Ratsuchenden vermutlich allzu lange schon nicht mehr gehört und gefühlt haben: #DuBistMirWichtig.

Beratung & Hilfe

Für Hilfesuchende

Du bist unter 25 und weißt gerade nicht weiter im Leben? Schreib an die [U25] Helpmail, was dich bewegt – vertraulich und kostenlos unter: www.u25-nuernberg.de

Für Helfende

Du bist unter 25 und möchtest als „Peerberatender“ anderen jungen Menschen in Krisen mit einem offenen Ohr zur Seite stehen? In einer Ausbildung bringt dir das Team von [U25] alles bei, was du für dieses besondere Ehrenamt wissen musst. Infos und Kontaktdaten gibt es unter: www.u25-nuernberg.de/peerberater

Das Projekt

[U25] wird vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, vom Bundesministerium BMFSFJ und aus Kirchengeldern finanziert. Am Nürnberger Standort führt ein Team der FAU Erlangen-Nürnberg derzeit zum zweiten Mal eine wissenschaftliche Evaluierung des Programmes durch.