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Wieso eine 19-Jährige der Kirche treu bleibt und was sie sich wünscht:"Was, du bist Katholikin?"

Lucia Geiser
Was bewegt junge Menschen im Jahr 2022 noch dazu, in die Kirche zu gehen und zu glauben? Lucia Geiser aus Herzogenaurach ist 19 Jahre alt – und eine junge Frau, die noch nicht ganz die Hoffnung auf eine größere Reform in der katholischen Kirche verloren hat.
Datum:
Veröffentlicht: 1.12.22
Von:
Lucia Geiser

Ich heiße Lucia Franziska Geiser und bin Ministrantin in der katholischen Kirche in Herzogenaurach. Ja, ich bin gläubig, aber zurzeit kann ich weder sagen, dass mich der Glaube erfüllt, noch, dass ich stolz bin, Katholikin zu sein. Die unsäglichen Missbrauchsfälle, das Ignorieren der Homosexualität, keine Frauen in Weiheämtern ...

Ich habe mich in den vergangenen Monaten mit mir selber und mit meinem Glauben auseinandergesetzt. Und da ist dann die Frage aufgekommen: Wie kann ich als liberale und moderne junge Frau überhaupt noch in die Kirche gehen?

Ich hatte schon überlegt, auszutreten
Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich noch nie darüber nachgedacht habe, die Kirche zu verlassen, geschweige denn zu konvertieren. Es beschämt mich und auch andere Jugendliche zutiefst, hören zu müssen, dass Priester mit einer biblisch begründeten Vorbildfunktion Kinder misshandeln.

Die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche sind ein aktuelles, aber vor allem ein sehr ernstes Thema auch für mich persönlich, da viele Opfer den Ministranten:innen angehören. Wenn ich davon höre, dass einzelne Kinder und Jugendliche auf schlimmste Weise missbraucht wurden und – es ist ein Fakt – auch immer noch missbraucht werden, läuft es mir eiskalt den Rücken runter.

Du gehst freiwillig in die Kirche? Wieso?!
Das ist eine Frage, die mir ziemlich oft gestellt wird, wenn ich erzähle, dass ich Ministrantin bin. Und die Frage ist auch vollkommen berechtigt. Und nur, dass das klar wird: Ich verstehe jede:n Einzelne:n, der/die die Kirche verlässt. Hätte ich in meiner Kindheit und Jugend nicht den Glauben auf eine moderne Art erfahren, wäre ich niemals als junge Erwachsene der Kirche treu geblieben.

Aber wieso bleibe ich der katholischen Kirche auch noch heute treu? Mich binden verschiedene Ereignisse in meinem Leben an die Kirche. Mit fünf Jahren habe ich meine große Schwester an Krebs verloren. Am Anfang habe ich nie realisiert, was wirklich in dem Moment geschehen war. Dadurch, dass ich wenige Jahre später, nach der Erstkommunion als Ministrantin eingeweiht wurde, habe ich das erste Mal Gemeinschaft erfahren.

Neben den Ministranten:innen habe ich auch Freund:innen in der Kantorei St. Magdalena gefunden. Dieser Chor ist und wird auch immer einer der Gründe bleiben, wieso ich die Kirche nicht aufgebe. Zum einen, weil ich Musik liebe, aber zum anderen, weil jede:r, egal ob gläubig oder nicht, in diesem Chor willkommen ist.

Ich denke, dass mir diese Kontinuität des Singens und Ministrierens als Kind geholfen hat, einen großen Verlust zu verarbeiten, und mich auch als den Menschen geformt hat, der ich heute bin. Das war früher!

Die Kirche braucht feministisch orientierte Ideen
Jetzt heißt es „Aufwachen“ und „Handeln“! Ich darf mich als Frau in dieser kirchlichen Institution nicht unterkriegen lassen, denn die Kirche braucht feministisch orientierte progressive Ideen. Das sage ich mir zurzeit immer wieder und es gibt mir Kraft! Mittlerweile bilde ich in der Kirche selbst Ministranten:innen aus. Als Frau möchte ich mich aktiv dafür einsetzen, dass alle, wirklich alle Menschen in der Kirche etwas zu sagen haben. Und ehrlich gesagt würde ich, wenn ich die Möglichkeit hätte, gerne als Frau das Amt einer Priesterin übernehmen, wenn es denn jemals der Vatikan legalisieren würde. Ganz nach dem Motto: „Girls, we run the world!“

Ich hoffe inständig auf Reformen, so wie viele weitere jungen Frauen. Manchmal reicht aber „hoffen“ einfach nicht mehr aus, weshalb ich mich dazu gezwungen sehe, selbst anzupacken!