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Willinger, Markus: Über die Läuteordnung

Willinger
Datum:
Veröffentlicht: 1.12.20
Von:
Von Stefanie Sponsel

Prof. Markus Willinger leitet seit 2007 das Amt für Kirchenmusik im Erzbistum Bamberg. Als Glockensachverständiger überarbeitet er gerade die Läuteordnung für den Bamberger Dom.

Was macht eigentlich ein Glockensachverständiger und warum versieht ein Kirchenmusiker dieses Amt? 

Der Glockensachverständige berät die Gemeinden im Erzbistum in allen Glockenangelegenheiten. Das macht ein Kirchenmusiker, weil eine Glocke – auch wenn sich das vielleicht nicht auf den ersten Blick erschließt – ein Musikinstrument ist, und zwar ein komplizierteres, als man zunächst denken könnte: Die Glocke ist ein Idiophon, ein Selbstklinger, der einen Ton erzeugt, genauer gesagt einen Klang. Dieser Klang setzt sich aus einer Reihe von Unter- und Obertönen zusammen, die sich aus der gegossenen Form ergeben und neben der Tonhöhe die individuelle Klanggestalt der Glocke bestimmen. Um diese Innenharmonie kümmert sich der Glockensachverständige bei der Analyse bestehender Glocken und bei der Festlegung der Schlagtöne neuer Glocken, was besonders heikel ist, wenn sie einem bestehenden Geläut hinzugefügt werden sollen. Die Kirchenverwaltungen sind oft dankbar für eine unparteiische fachkundige Beratung.

Wann läuten die Glocken und warum? 

Bei uns läuten die Glocken zu verschiedenen Zeiten des Tages oder auch der Woche. Neben dem Stundenschlag, in dem die Glocken nur mit einem Hammer angeschlagen werden, läuten die Glocken zum sogenannten „Angelus-Läuten“, früher weithin als Aufforderung verstanden, den „Engel des Herrn“ zu beten. Sie läuten außerdem, wenn sie die Gemeinde zum Gottesdienst zusammenrufen. Während des Kirchenjahres gibt es Zeiten sehr unterschiedlichen Gepräges. Ostern hat einen anderen Charakter als die österliche Bußzeit, Weihnachten einen andern als Advent. Ein großes Geläut wie das des Bamberger Doms mit seinen zehn Glocken gibt uns die Gestaltungsmöglichkeit, beispielsweise an Weihnachten ein großes, festliches und demgegenüber in der Bußzeit ein zurückhaltendes, getragenes Läuten erklingen zu lassen. Um ein Geläut möglichst schön und in all seinen Möglichkeiten zu den verschiedenen Anlässen klingen zu lassen, erarbeiten wir für mittlere und größere Geläute eine Läuteordnung.

Gibt es etwas, was Ihnen in Ihrem Amt besonders wichtig ist? 

Immer wichtiger wird mir, darauf hinzuweisen, dass wir verantwortungsvoll und umsichtig mit den Glocken überhaupt, besonders aber mit den alten, ehrwürdigen und denkmalgeschützten Glocken umgehen müssen. Die Kunigundenglocke beispielsweise konnte über den längsten Zeitraum ihrer bis heute neun Jahrhunderte dauernden Lebenszeit nur mit sehr großem menschlichen Kräfteaufwand in Bewegung gesetzt werden, so dass sie früher recht selten zu hören war. Heute jedoch braucht man nur einen Knopf zu betätigen, um dieses tonnenschwere Musikinstrument und den anschlagenden Klöppel in Bewegung zu setzen. Wenn auch die Abnutzung durch einen einzelnen Klöppelschlag sehr gering ist, summiert sich doch über Jahrhunderte die Belastung. Bei alten Glocken kann man oft schon einen erheblichen Abrieb sehen. Wir sollten daher die Geläute schonend behandeln. Überhaupt sollte etwas Besonderes auch immer ein wenig rar sein. Und eine Glocke, die 900 Jahre alt ist, ist etwas Besonderes und sehr Schützenswertes.

Wann läuten Glocken?

  • Zur Versammlung der Gemeinde vor der Eucharistiefeier, der Wort-Gottes-Feier, der Vesper, der Andacht, dem Rosenkranz usw. 
  • Zur Strukturierung des Tages durch das Tagzeitenoder Angelus-Läuten: morgens 7.00 Uhr, mittags 12.00 Uhr und zur Dämmerung (je nach Jahreszeit wenige Minuten im Zeitraum von 17.00 bis 20.00 Uhr)
  • Im Lauf der Woche: z.B. freitags um 15.00 Uhr zur Sterbestunde Jesu, samstags um 14.00 Uhr zum liturgischen Beginn des Sonntags
  • Zu besonderen Anlässen: zu Hochfesten, Feiertagen, Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen, zur Priesterweihe, Primiz, Bischofsernennung, bei der Wahl oder dem Tod des Papstes

Über die Glocken des Bamberger Doms berichten die Dommesner hier.