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Ist der Lack ab?:Kirche & Jugend

Ist unsere Jugend eine „postchristliche Generation“? Studien beider großen deutschen Kirchen haben jüngst ergeben, dass zwar die überwiegende Zahl junger Menschen der Kirche angehört, aber nur ein Fünftel der unter 30-Jährigen sich selbst als kirchlich-religiös einstuft. Wir haben junge Menschen dazu befragt.
Datum:
Veröffentlicht: 1.6.19
Von:
Hendrik Steffens

Würdest du dich als gläubigen Menschen bezeichnen?

Jugend Patrick Taghdir

Ich glaube an Gott und das die Welt aus seiner Liebe heraus erschaffen wurde. Ich habe mich keiner bestimmten Religion verschrieben, aber der Bahai Glaube hat mich in meinem religiösen Denken sehr inspiriert. Bahai misst jeder Religion Bedeutung zu und jedem Propheten seine Berechtigung. Der Glaube an Gott gibt mir innere Ruhe. Mein Glaube hilft mir, mein Handeln zu hinterfragen und moralisch zu prüfen.

-Patrick Taghdir, 27

Helene Ich bin ein gläubiger Mensch. Das bedeutet für mich, dass ich an Gott glaube, mit Gott rede und daran glaube, dass etwas oder jemand existiert, was das Leben auf der Welt beeinflusst. Glauben bedeutet für mich aber nicht zwangsläufig, jeden Sonntag in die Kirche zu gehen und sich intensiv mit der Bibel auseinanderzusetzen.

Fabian Ich würde mich als gläubigen Menschen bezeichnen, weil ich darauf vertraue, dass Gott in Jesus Christus zu unserem Gefährten geworden ist und uns auf allen Lebenswegen begleitet. Dieser Glaube trägt mein Leben. Und ich behalte ihn nicht für mich, sondern teile ihn mit anderen: in meinen Texten, in der Uni, im Alltag …

Jugend

Ich glaube daran, dass es Gott gibt, und wenn mich etwas bedrückt, bete ich. Ich suche manchmal Ruhe vor dem Alltag in einer Kirche. Im Urlaub zünde ich immer im Gotteshaus vor Ort eine Kerze für meine verstorbenen Opas und Großtanten an. Zur Messe gehe ich allerdings nur selten.

-Alexandra Pöhler, 23

Manuel Nach dem klassischen Bild von Kirche und Christentum kann ich mich nicht als einen Gläubigen bezeichnen. Ich glaube daran, dass es irgendetwas Höheres gibt, das sich unserer Alltagswahrnehmung entzieht. Die Vorstellung von einem allmächtigen Wesen aber erscheint mir zu plump.

Was gefällt dir oder stört dich an deiner Kirche?

Patrick Mir gefällt an der Kirche, dass sie an vielen sozialen Projekten auf der Welt beteiligt ist. Die heutigen Institution Kirche, sollte jedoch überdacht werden, denn ich persönlich glaube nicht daran, dass wir immer noch Priester als Mittelsmänner zwischen uns und Gott benötigen sollten, denn jeder Mensch besitzt in sich selbst die Werkzeuge um über Gebete mit Gott zu “kommunizieren”. Gegen die Kirche als Gebäude und spirituellen Rückzugsort habe ich nichts, im Gegenteil, sie ist zum gemeinsamen Beten und meditieren bei Andachten ein schöner Ort Gottes. Die Institution Kirche ist für mich mehr geleitet von Tradition und Dogmen als durch Spiritualität.

Helene Schön finde ich, dass Kirche Gemeinschaft für die Einsamen bietet und dass es Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche gibt. Differenziert betrachte ich die Kirchensteuer. Sinnvoll finde ich, wenn sie für Bedürftige oder humanitäre Hilfe eingesetzt wird. Doch ich würde mir mehr Transparenz wünschen, was mit dem Geld geschieht. 

Jugend

Ich mag, dass Kirche ein Ort ist, an dem so viele unterschiedliche Menschen zusammenkommen; dass ich immer eine Heimat habe, egal, an welchem Ort ich bin; dass die Kirche sich nicht mit dem Leben in dieser Welt zufriedengibt. Was mich stört: Dass Kirche oft selbstbezogen ist, sodass sie nicht mehr auf Gottes Wort hört und dadurch manchmal falsche Prioritäten setzt.

-Fabian Brand, 28

Alexandra An der Kirche stört mich die benachteiligte Rolle der Frau und dass Homosexualität oder die Ehe für alle so rückschrittlich betrachtet werden. Es ergibt für mich keinen Sinn, warum Frauen nicht Priesterinnen werden können und warum Schwule und Lesben nicht heiraten sollten. Liebe ist Liebe.

Manuel Mich stört das Korsett aus Regeln und dass die Institution oft um sich selbst kreist. Auch wenn mich das Thema nicht betrifft, ist das Abendmahl für gemischtkonfessionelle Ehepaare ein gutes Beispiel: Ob Eheleute die Kommunion empfangen dürfen, spaltet die Deutsche Bischofskonferenz. Solche Streitigkeiten wirken auf mich abgehoben und fundamentalistisch, gefangen in den eigenen Strukturen. Das ist lebensfremd und widerspricht dem vorbildhaften Handeln Jesu, der immer wieder für die Menschen und im Zweifel gegen (Glaubens-) Gesetze gehandelt hat.

Was könnte deine Kirche tun, um dich mehr einzubinden?

Patrick Sie könnte nichts tun, um mich zum Christentum zu bewegen, da das Christentum für mich nur eine von vielen Religionen ist, die alle ihre Berechtigung haben.

Jugend

Ich fühle mich in die Gesellschaft der Kirche eingebunden und bin darin aktiv. Jedoch könnten Freizeitangebote noch mehr ausgebaut werden. Die Kirche sollte dabei auch mehr Abstand von dem traditionellen Denken nehmen. Besonders der strenge Zölibat der katholischen Kirche, der Umgang mit Homosexualität und die Ablehnung verschiedener Lebensgestaltung sollten umgedacht werden.

-Helene Stieben, 22

Fabian Ich gehöre einer Generation an, die von der Kirche anscheinend vergessen wurde. Meine Altersgenossen und mich beschäftigen ganz eigene Sorgen und Hoffnungen. Wir sind keine Kinder und Jugendlichen mehr, zählen uns aber auch noch nicht zur älteren Erwachsenengeneration. Es wäre schön, wenn man uns in der Kirche wieder wahrnehmen würde.

Alexandra In meiner Heimatgemeinde gibt es viele Angebote für Kinder und Jugendliche wie Messdiener- Gruppen und Jugendfahrten. Die Kirche bietet jungen Menschen tolle Angebote wie organisierte Auslandsaufenthalte oder den Weltjugendtag. Auch für ältere Menschen gibt es Kaffeerunden und gemeinsame Ausflüge. Ich denke nur, dass es wenige Angebote für Menschen ab Mitte/Ende 20 gibt. Da könnte man ansetzen.

Jugend

Werte und Handeln in Lebensnähe der Menschen mehr in den Mittelpunkt stellen. Im Moment wirkt die Kirche auf mich oft, als wäre sie weggesperrt hinter einer Mauer aus Theologie.

-Manuel Stark, 26

Von Hendrik Steffens

Was Erik Flügge, Autor des Buches „Eine Kirche für viele statt heiligem Rest“, über die Kirche denkt, lesen Sie hier