Sakralkunst:Kultur unter die Lupe genommen
Inventarisierung – ein Wort, das erstmal nach Langeweile klingt. Nach Schreibtischarbeit und viel Staub. Allerdings versteckt sich hinter dem Begriff Einzigartiges: die Aufbewahrung und Dokumentation von ganz besonderen Zeitzeugen. Von Kunstschätzen der Geschichte, die für Gegenwart und Nachwelt wichtig sind, um die Vergangenheit besser verstehen, einordnen und auch für Laien verständlich aufbereiten und präsentieren zu können. Eine der wichtigsten Aufgaben in einem Museum.
Ludmila Kvapilová-Klüsener hat sich der Inventarisierung im Diözesanmuseum des Erzbistums Bamberg verschrieben – mit Herz und Seele. „Ich liebe die Arbeit mit besonderen Objekten und Werken. Es ist eine tagtägliche Reise durch die Jahrhunderte, und nicht selten mache ich spannende Entdeckungen.“ Die Datenbank, in die sie die Informationen über ihre Schätze einpflegt, bildet die Grundlage für die Arbeit im Museum. „Je besser dokumentiert und sortiert die Bestände sind, desto einfacher ist es möglich, Informationen zu finden, Ausstellungen oder Publikationen zu gestalten, Restaurierungen zu verwalten oder Forschungsprojekte zu unterstützen“, erklärt die Kunsthistorikerin.
Mit konzentriertem Blick steht sie vor dem mit Kunstgegenständen beladenen Tisch in ihrem Büro im Diözesanmuseum. In den Vitrinen ringsum warten Figuren, Bilder, Rosenkränze oder Medaillons darauf, von ihr in die Hand genommen und begutachtet zu werden. Dazwischen stehen kunsthistorische Fachbücher. Die Medaillons, die die Aufmerksamkeit der jungen Frau fesseln, sind ihre neueste Errungenschaft: 2017 konnte die Kunsthistorikerin drei künstlerisch hochwertige Reliefs aus Alabaster für das Museum erwerben. Sie zeigen die Portraits von Bamberger Fürstbischöfen. Es sind sogenannte Amtsportraits. Zu vergleichen mit den heutigen Bischofsbildern, die beispielsweise in den Pfarreien hängen. „Besonders wertvoll ist das große Porträtmedaillon des Fürstbischofs Franz Ludwig von Erthal. Hier ist die Signatur von Johann Peter Wagner eingraviert – einem bedeutenden Bildhauer des fränkischen Rokoko und Klassizismus“, erläutert Kvapilová- Klüsener und deutet auf den kleinen Namenszug am Rande des Medaillons. Die drei Reliefs sollen demnächst ihren eigenen Platz im Museum bekommen.
Was für Laien auf den ersten Blick wenig wertvoll aussieht, entpuppt sich auf den zweiten Blick der Expertin manchmal als ein echter Schatz: „Ich weiß in der Regel nach einem Blick, aus welcher Epoche oder von welchem Künstler ein Objekt stammt, und kann dann schnell feststellen, wie die Qualität ist.“ Das Spezialgebiet der Kunsthistorikerin sind Skulpturen des 14. und 15. Jahrhunderts. „Auskennen muss man sich in meinem Job aber trotzdem in allen Epochen. Es gibt kaum einen besseren Ort als unser Museum, um sich ein sehr umfangreiches Wissen anzueignen.“ Besonders wichtig sei es, objektiv zu bleiben. „Natürlich gibt es auch immer wieder Kunstgegenstände die mir gar nicht gefallen, aber trotzdem objektiv von hohem Wert sind.“
Die Kunsthistorikerin hat sich viel vorgenommen. Nach ihrer Schätzung warten insgesamt 5.000 Statuen, Reliefs, Gemälde, Messgewänder, Monstranzen, Kelche oder auch Klosterarbeiten und Krippenfiguren im Diözesanmuseum und den dazugehörigen Depots darauf, bearbeitet und bewertet zu werden. „Jedes Objekt nehme ich einzeln unter die Lupe. Es wird recherchiert und Provenienzforschung betrieben. Jedes Objekt wird beschrieben und kunsthistorisch ausgewertet. Alles wird fotografiert – auch die Details – und anschließend beschriftet, ausgemessen und in der Datenbank dokumentiert.“ Schätzungsweise 50 Gegenstände kommen pro Jahr dazu. Meist Schenkungen, aber auch Eigenerwerbungen. Pro Tag schafft sie es, etwa 10 Objekte in der Datenbank zu dokumentieren.
Von Maike Wirth
Wie und warum sich die Kirche für die Kultur einsetzt, erklärt Norbert Jung - Leiter der Hauptabteilung Kunst und Kultur im Erzbistum Bamberg - hier.
Zur Person
Ludmila Kvapilová-Klüsener ist Kunsthistorikerin und Kunstexpertin für Skulpturen des Mittelalters. Sie studierte Kunstgeschichte an den Universitäten in Prag, Regensburg und Salzburg. Nach ihrer Promotion an der Uni Erlangen und einem wissenschaftlichen Volontariat am Museum Schnütgen in Köln arbeitete Kvapilová-Klüsener als Kunstexpertin für Sakralkunst und Skulpturen in Berlin. Seit 2015 ist sie für die Erfassung und Bewertung der Kunstgegenstände im Diözesanmuseum Bamberg tätig, ist zuständig für die Pflege der Datenbank zur Inventarisierung, betreut Anfragen und kuratierte zuletzt die Ausstellung „Ursprünge der Weihnachtskrippe“.